Prof. Dr. Martin Tschandl, Rico Kogleck
Reifegradmodelle dienen zur Standort- und Zielbestimmung und bestehen aus mehreren Kriterien, die zu Dimensionen (z. B. Produkte, Abteilungen) zusammengefasst werden. Jedes Kriterium wird durch mehrere Ausprägungsstufen mit Reifegraden/-stufen beschrieben. Bekannte Reifegradmodelle aus anderen Fachdisziplinen sind das European Foundation for Quality Management (EFQM)-Modell, das Process and Enterprise Maturity Model (PEMM) oder das Capability Maturity (CMMI)-Modell.
Vorgehensmodelle unterstützen Unternehmen bei der Umsetzung konkreter Vorhaben, indem sie die Schritte zum Erreichen eines Zieles modellhaft abbilden. Die Aufgabe wird in einzelne Prozessschritte –beispielsweise Ist-Analyse, Soll-Profil-Ermittlung und Ableitung von Maßnahmen – unterteilt und beschrieben. Das reduziert die Komplexität des Vorhabens sowie deren Planung und erleichtert das Controlling des Projektes. Darüber hinaus bilden Vorgehensmodelle auch den Rahmen für den Einsatz von Methoden und Werkzeugen in den einzelnen Phasen des Implementierungsprozesses. Reifegradmodelle können isoliert verwendet oder in ein Vorgehensmodell zur Umsetzung der Digitalisierung eingebettet werden.
Reifegrad- und Vorgehensmodelle zur Selbstbewertung und Umsetzung von Digitalisierung/Industrie 4.0 sind beispielsweise
- das Vorgehensmodell zur Entwicklung einer Industrie-4.0-Einführungsstrategie (Merz 2016),
- die Roadmap Industrie 4.0 (AK4.0 2016) oder
- das Readiness-Modell (Impulsstiftung des VDMA 2016).
Die dargestellten Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich
- Umfang (Reifegrad- oder Vorgehensmodell),
- Vorgehen (Phasen) und auch
- Schwerpunkten (Technologie, Strategie und Prozesse).
Ein allgemeingültiges Konzept für die Digitalisierung eines Unternehmens ist nicht anwendbar, vielmehr bedarf es eines individuellen Transformationsprozesses, um die spezifischen Digitalisierungspotenziale ermitteln, bewerten und nutzen zu können.
Das Betreiben einzelner Digitalisierungsprojekte in einem Unternehmen führt nicht zwangsläufig zu einem höheren Digitalisierungs- bzw. Reifegrad. Oft scheitern Unternehmen bei der konkreten Umsetzung und Operationalisierung definierter Industrie 4.0-/Digitalisierungsprojekte an der Anforderung, aus den möglichen Themenstellungen den richtigen Mix aus mess- und umsetzbaren Projekten zu definieren. Diese Problematik soll durch Bewertungen und systematische Auswahlprozesse in einem Vorgehensmodell gelöst werden.