Dr. Walter Schmidt, Dr. Herwig R. Friedag
Eine UPO sollte mehr umfassen als nur finanzielle Erwartungen.
Von der Art der Strategie hängt es ab, welche Veränderungen des Unternehmens in Gang gesetzt werden sollen. Daher sollte eine unternehmenspolitische Orientierung mehr umfassen als ausschließlich finanzielle Erwartungen. In unserem Beispiel haben die Gesellschafter neben der Internationalisierung zwei weitere wesentliche Orientierungen gegeben – Preisträger European Quality Award werden und Kunden so bedienen, dass sie sich um den Status eines Premium-Partners bewerben.
1.2.1 Zweckbestimmung
Die Führungskräfte sind gefordert
Nun sind die Führungskräfte gefordert. Zunächst ist zu klären, ob die bisherige Zweckbestimmung des Unternehmens der formulierten Aufgabenstellung noch genügt. Die BaDien AG bspw. ist ein Spezialanbieter für Facility-Management im "Bahn-Umfeld"; ihre Geschäftsfelder sind die Betreuung, Wartung und Instandhaltung von Bahnhöfen und anderen Liegenschaften sowie die Vermietung von Bahnhofsgeschäften. Der eher technisch gefasste Geschäftsgegenstand "Sicherung einer nachhaltigen Rentabilität von Bahn-Liegenschaften durch aktive Bewirtschaftung" erschien allen Beteiligten nach wie vor als ein ausreichender Rahmen; er sollte nicht erweitert werden.
Gleichzeitig würden die Internationalisierung und die damit verbundene Dezentralisierung enorme strukturelle Veränderungen mit sich bringen. In dieser Beziehung musste die Zweckbestimmung präzisiert werden.
Die schließlich gefundene ergänzende Formulierung "BaDien – ein internationales, dezentral operierendes Unternehmen im Bereich der Dienstleistungen rund um den Bahnhof …" kam für ein bisher eher zentral und schweizerisch-deutsch denkendes Unternehmen einem Paradigmenwechsel gleich. Gleichzeitig erhielt die vorher schon selbstverständliche Orientierung auf Kunden und Mitarbeiter durch diese Erweiterung der Zweckbestimmung eine völlig neue Dimension. Außerdem hatte sie mithilfe der UPO erstmalig eine konkrete Messlatte bekommen. Auch der erwünschte Impuls für eine neue Tragfähigkeit der dem Unternehmen zugrunde liegenden Idee nahm fassbarere Konturen an.
1.2.2 Zentrale Herausforderung
Die Herausforderung liegt oft eher im kulturellen als im technischen Feld
So wurde schnell klar, dass die zentrale Herausforderung der UPO nicht so sehr im technisch-technologischen als vielmehr im kulturellen Feld heranwachsen wird. Natürlich durfte der Vorsprung auf technischem Gebiet nicht verspielt werden. Aber hier hatte das Unternehmen jahrelange Erfahrungen und eine aus Erfolgen selbstbewusst gewordene Mannschaft. Dieses Feld beherrschen sie; da müssen sie "nur" dranbleiben.
Die kulturelle Herausforderung hingegen ist enorm. Der Erfolg hatte die BaDien AG behäbig werden lassen. Das Arbeitsleben war eingespielt und auf den Unternehmer orientiert. Sein Wort, seine Werte, seine Prinzipien galten seit mehr als 30 Jahren und wurden als die Basis des Erfolgs angesehen. Doch die Welt hatte sich gedreht. Das deutete sich schon im bisherigen Heimatmarkt an. Die Führungskräfte und Mitarbeiter der Stammkunden haben in den letzten 30 Jahren ihre Präferenzen und Arbeitsweisen stark verändert. Viele Firmen erwarten inzwischen von ihrem Dienstleister, dass er sie bei ihrer eigenen Internationalisierung begleitet. Außerdem sind die Anforderungen an die Arbeitsbeziehungen eher auf Kontinuität und Entscheidungsfähigkeit vor Ort gerichtet. Internationalisierung und dezentral gesteuerte Kooperation mit den Kunden sind daher generell entscheidende Wettbewerbsfaktoren geworden.
Vernachlässigung des Networkings korrigieren
Die kulturelle Herausforderung für die BaDien AG hatte aber noch eine weitere Komponente: die Organisation eines ganzen Netzwerks von Beziehungen. Komplexe Wartung, Betreuung, Instandhaltung und Erneuerung verlangen heute vor allem das Zusammenspiel vielfältiger Spezialisten. Für die Positionierung der Beteiligten ist es von entscheidender Bedeutung, wer dieses Netzwerk organisiert und koordiniert. Hier hatte das Unternehmen in den letzten Jahren Boden an einige Wettbewerber verloren.
Das erkannte auch die Unternehmerfamilie. Insofern war die UPO nur konsequent und hat einen konstruktiven Dialog zu den entscheidenden Fragen des Unternehmens auf die Tagesordnung gesetzt.
Die zentrale Herausforderung zu erkennen ist für die Umsetzung einer Strategie sehr wichtig, um sich auf die entscheidenden Fragen konzentrieren zu können. Gleichzeitig ist es jedoch genauso wichtig, diese Herausforderung so zu formulieren, dass es für möglichst alle Mitarbeiter eine erstrebenswerte Aufgabe wird, sich ihr zu stellen.
Formulierung der zentralen Herausforderung
Um ein anderes Beispiel zu zeigen, soll hier auf einen regionalen Energieversorger eingegangen werden, der mehrere Stadtwerke betreibt. Die Städte und Kommunen der Regionen haben beschlossen, ihre Versorgungskapazitäten zu bündeln. Damit war eine Option entstanden, vier in kommunalem Eigentum stehende Versorger zu fusionieren.
Für die Führungskräfte und Mitarbeiter der besagten vier Unternehmen erschien diese Perspekti...