Kim Louisa Dillenberger, Anne Kowalski
Controlling und Nachhaltigkeit sind keine gänzlich neue Themenzusammensetzung. Bereits vor über zehn Jahren beschäftigte sich der ICV mit dem Thema "Green Controlling" – mit stark aufsteigender Relevanz in den vergangenen Jahren.
Der immer stärker wahrnehmbare Klimawandel, stärkere Stakeholderorientierungen in der Gesellschaft oder prominente Unternehmensskandale der jüngeren Vergangenheit führten in den letzten Jahren zu einer stetig zunehmenden Relevanz des Themas Nachhaltigkeit mit den Dimensionen "Environmental", "Social" und "Governance", mit der Konsequenz stark steigender regulatorischer Anforderungen, insbesondere im europäischen Kontext. Da Regulatorik hier langfristig auf die Beeinflussung des Verhaltens ökonomischer und unternehmerischer Entscheidungen abzielt, ist auch das Controlling immer mehr gefordert, dieser Relevanzsteigerung Rechnung zu tragen. Daneben ist auf Basis aktueller Studien zu berücksichtigen, dass neben der Regulatorik auch Kunden, Lieferanten und Stakeholder aus der eigenen Organisation die immer stärkere Nachhaltigkeitsorientierung befeuern.
Nachhaltigkeitscontrolling kommt daher die wichtige Bedeutung zu, bei der Rationalitätssicherung des Nachhaltigkeitsmanagements zu unterstützen. Unternehmerische Steuerungskonzepte der Zukunft können damit nicht mehr nur auf klassische ökonomische Zielgrößen ausgerichtet werden, sondern Nachhaltigkeitsziele erweitern diese Steuerungskonzepte, ggf. um mehrere Subdimensionen. Dabei sind langfristig alle Controllingprozesse in der Erweiterung um Nachhaltigkeitsaspekte betroffen – aktuell sind hier jedoch vor allem die Prozesse "Strategische Planung", "Planung & Budgetierung", "Investitionscontrolling", "Reporting", "Risikocontrolling" und "Datenmanagement" zu nennen.
Im vorliegenden Dream-Car-Bericht sind aktuelle Erkenntnisse der ICV Green Controlling-Studie 2022 verarbeitet, welche diese Schwerpunktsetzungen bei den Controllingprozessen empirisch untermauern.
Nachhaltigkeitscontrolling wird im vorliegenden Dream-Car-Bericht als weiterer unternehmerischer Transformationsprozess verstanden. Um diesen Prozess möglichst vollständig zu beschreiben, wird ein auf neun Gestaltungsfaktoren basierendes Referenzmodell aufgebaut. Mit Nachhaltigkeitsstrategien startend werden zunächst entsprechende Kennzahlen/KPIs abgeleitet. Anschließend werden diese in den Controllingprozessen "Planung, Budgetierung & Forecasting", "Management Reporting", "Investitions- und Kostencontrolling" und "Datenmanagement und -integration" verankert sowie auf den Fundamenten "Business Partnering", "Organisatorische und prozessuale Verankerung" sowie "Kompetenz, Mindset und Incentivierung" aufbaut. Wesentliche Fragestellungen aus diesen Gestaltungsfaktoren sind beispielsweise die Detaillierung von Strategien über Instrumente der Strategy Maps und Balanced Scorecards, die Auswahl der wesentlichen Kennzahlen über das Konzept der doppelten Materialität oder die organisatorische Verankerung des Nachhaltigkeitscontrollings im Zusammenspiel mit der bestehenden Controllingorganisation oder separaten Nachhaltigkeitseinheiten in Unternehmen.
Abgerundet wird der Dream-Car-Bericht durch Praxisbeispiele der Unternehmen Bosch Automotive Electronics, DATEV, TRUMPF, Deutsche Post DHL sowie Einblicke der Beratungsgesellschaft Deloitte auf Basis unterschiedlicher Projekte und einem Projekt zum Thema "Nachhaltigkeitsindex".
Diese Beispiele sollen dabei im Kontext eines aus den Gestaltungsfaktoren entwickelten Reifegradmodells beleuchtet werden, welches die drei folgenden Stufen umfasst:
- Stufe 1: Die effiziente Umsetzung regulatorischer Vorgaben
- Stufe 2: Die teilweise Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Steuerungskonzept & Strategie
- Stufe 3: Nachhaltigkeit als vollintegrierter Bestandteil von Geschäftsmodell, Strategie & Steuerung
Das Erreichen der Stufe drei ist dabei das unternehmerisch und regulatorisch zu avisierende Ziel – es steht jedoch oftmals im Spannungsfeld ökonomischer Sachzwänge oder grundsätzlicher Fragestellungen zu Strategie und Geschäftsmodell. Diese Ziele zu erreichen, wird zur Transformationsaufgabe des Nachhaltigkeitscontrollings im aktuellen Jahrzehnt – und vermutlich darüber hinaus!