Kim Louisa Dillenberger, Anne Kowalski
3.8.1 Gestaltungsansätze zur Verankerung von Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit in der heute geforderten Form stellt Anforderungen, denen mit vorhandenen und zumeist zersplitterten Strukturen wie in Unternehmen vielfach etablierten Umwelt- oder CSR-Beauftragten nicht entsprochen werden kann. In den allermeisten Unternehmen müssen die nötigen Ressourcen und Kompetenzen erst aufgebaut werden, womit sich die Frage der organisatorischen Verankerung stellt.
Nachhaltigkeit ist heute ein Querschnittsthema, das mehr oder weniger alle Unternehmensfunktionen betrifft und daher nicht die alleinige Aufgabe einer einzigen Abteilung oder isoliert agierender Abteilungen sein sollte. Im Nachhaltigkeitsmanagement gilt es, ausgehend von der Unternehmensstrategie und den daraus abgeleiteten Nachhaltigkeitszielen, mittels Initiativen und Projekten die Produkte, Dienstleistungen und Abläufe eines Unternehmens entlang der gesamten Wertschöpfungskette in mehreren Dimensionen (ökonomisch, sozial, ökologisch) "nachhaltiger" zu gestalten und dafür ein adäquates Controlling bereitzustellen. Damit ist die aufbau- und ablauforganisatorische Verankerung der Nachhaltigkeit ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Im Rahmen der organisatorischen Verankerung stellen sich für das Nachhaltigkeitscontrolling zwei grundsätzliche Fragen:
- Wie wird das Thema Nachhaltigkeit unternehmensweit organisiert und welche Rolle hat dabei die Controllingabteilung?
- Wie wird das Thema Nachhaltigkeit innerhalb der Controllingstruktur verankert?
Für beide Fragen gibt es zahlreiche Gestaltungsansätze mit entsprechenden Vor- und Nachteilen. Zu deren Abwägung sollte das Unternehmen zumindest über nachfolgende Gestaltungsparameter Klarheit besitzen:
- Organisation des Unternehmens: Wie groß und komplex ist das Unternehmen? Ist das Unternehmen eher zentral oder dezentral organisiert? Hat es eine flache oder hierarchische Organisationsstruktur?
- Organisation des Controllings: Ist die Controllingorganisation selbst zentral, dezentral oder mittels dotted-line organisiert?
- Stellenwert und Leistungsfähigkeit des Controllings: Welche Rolle nimmt das Controlling im Unternehmen ein und wie leistungsfähig ist es? Ist es als Business Partner etabliert oder nimmt es eher die Rolle des Zahlenlieferants ein?
- Anspruchsniveau: Wird die Nachhaltigkeit als Pflichtübung gesehen und genügt die Erfüllung der gesetzlichen (Berichts-)Pflichten oder wird die Nachhaltigkeit als strategischer Erfolgsfaktor verstanden und werden dadurch hochgesteckte Ziele mit entsprechenden Initiativen verfolgt?
- Schwerpunkt der Nachhaltigkeit: Werden alle drei Bereiche der Tripple Bottom-Line verfolgt oder ist die Nachhaltigkeit eher auf ein einzelnes Thema ausgerichtet? Davon abhängig wird einzelnen Abteilungen eine stärkere oder weniger starke Rolle zukommen.
- Branche des Unternehmens: Auch hinsichtlich einer Branche rücken unterschiedliche Abteilungen oder Prozesse stärker in den Fokus. Beispielsweise bietet das Thema Nachhaltigkeit für Banken unter dem Schlagwort "Green Finance" neue Marktchancen. In Banken wird das Thema Nachhaltigkeit daher häufig einen Markt- und Vertriebsschwerpunkt haben, während es für Produktionsbetriebe vielfach um die Reduktion der CO2-Emissionen geht und damit eher einen Produktions-, Logistik- oder Einkaufsschwerpunkt hat.
3.8.2 Gesamtorganisatorische Verankerung der Nachhaltigkeit
Für die aufbauorganisatorische Gesamtverankerung gibt es drei wesentliche Möglichkeiten, wie die Verantwortung geregelt werden kann, wobei die Letztverantwortung immer in der Unternehmensleitung liegt (vgl. Abb. 28):
- Einführung einer eigenen Abteilung Nachhaltigkeitsmanagement mit Gesamtverantwortung.
- Übertragung der Gesamtverantwortung auf eine bestehende Abteilung, der auf Basis der oben genannten Parameter die wesentlichste Rolle zukommt. Dies können sowohl Abteilungen mit Stabs- als auch Linienfunktion sein.
- Einführung eines "Sustainability-Boards", in dem alle Unternehmensfunktionen eingebunden sind.
Abb. 28: Wesentliche Möglichkeiten der aufbauorganisatorischen Gesamtverankerung
Dem Controlling kann die Führungsrolle und Gesamtverantwortung nur dann zukommen, wenn es im Unternehmen als Business Partner wertgeschätzt wird und entsprechende Kompetenzen aufweist (siehe dazu auch Kapitel 3.9). Ist diese Grundvoraussetzung gegeben, gilt es für das Controlling abzuwägen, ob es diese Führungsrolle auch tatsächlich ausüben möchte (Rolemaking vs. Roletaking). Wie Studien zeigen, waren Controller dabei bislang eher zurückhaltend. So wurde Nachhaltigkeit von Controllern in der Zukunftsstudie der WHU als auch der darauf aufbauenden aktuelleren Studie der FH Oberösterreich weder im derzeitigen Stellenwert noch im zukünftigen Bedeutungszuwachs als Top-Thema genannt. Auch in der aktuellen Green Controlling Studie des ICV sehen nur 19 % der Befragten eine hohe oder sehr hohe Verantwortung der Controller für die Planung und Steuerung ökologischer und sozialer Maßnahmen. Ob dies angesichts der steigenden Bedeutung der Nachhaltigkeit ein Fehler ist, wird sich zeigen. Möglicherweise muss sich die Verantwortung erst sukzessive über die Jahre entwic...