Dr. Walter Schmidt, Dipl.-Ing. Rainer Vieregge
Wirtschaftliches, unternehmerisches Handeln existiert schon sehr lange. Und so lange existieren Geschäftsprozesse. Handwerker und Händler, die ursprüngliche Form von Unternehmen, brauchten keine differenzierte Organisationsstruktur. Jeder im Unternehmen machte dasselbe, es gab nur den kundenorientierten Prozess.
Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich der wertschöpfende Prozess über die industrielle Revolution, die Einführung der Arbeitsteilung nach Henry Ford bis hin zu den computerunterstützten Produktionsprozessen. Es entstanden Fachfunktionen, die alleine nicht mehr die gesamte Marktleistung erstellen konnten. Es bedurfte einer Koordination der einzelnen Arbeitsgänge. So entstanden Hierarchien im Unternehmen, Organisationsstrukturen wurden aufgebaut. Im Laufe der Zeit entstanden immer größere Unternehmen mit einer stetigen Aufspaltung in Fachfunktionen. Damit erhöhte sich die Anzahl der Schnittstellen und dies vervielfachte den Steuerungs- und Koordinationsaufwand. Damit die Unternehmen den neuen Anforderungen gerecht werden, haben sie immer neue Organisationsformen entwickelt; es entstanden komplexe Strukturen und die Geschäftsprozesse gerieten zunehmend in den Hintergrund des Managementinteresses (s. Abb. 19).
Abb. 19: Schnittstellenzunahme bei größer werdenden Unternehmen
Mit zunehmender Anzahl der Hierarchiestufen und der Fachfunktionen entfernten sich die verantwortlichen Manager immer stärker vom Kerngeschäft. Managementhierarchien erforderten einen erhöhten Kommunikationsaufwand. Durch die Aggregation und teilweise Zurückhaltung von Informationen entstand zunehmend ein Informationsverlust über diese Stufen. Als direkte Folge konnten einerseits Änderungen am eigentlichen Produktionsprozess (und anderen Kernprozessen) nur mit erhöhtem organisatorischen Aufwand und Zeitverlust umgesetzt werden. Andererseits wurden Folgen aus Fehlern im Produktionsprozess lange nicht sichtbar. Dieser Entwicklung setzte man Qualitätssicherung in Form von Stichprobenprüfungen entgegen. Um die notwendige Transparenz in die immer komplexer werdenden Kostenstrukturen zu bekommen, wurden Buchhaltungs- und Kostenrechnungsmethoden entwickelt (z. B. Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung), welche wachsenden administrativen Aufwand erforderten.
Prozesse treten wieder stärker in den Fokus des Managements
Mit dem technologischen Fortschritt in der Wirtschaft wurden die Randbedingungen immer wieder neu definiert; die Produktzyklen wurden kürzer. Auch die Organisationsformen wurden weiterentwickelt. Grundsätzlich waren Unternehmen jedoch funktional in Abteilungen gegliedert, d. h. nach interner Steuerbarkeit und nicht nach kundenorientierten Prozessen. Trotz (oder gerade wegen) der komplexeren Organisationsstrukturen konnten Unternehmen mit zentralen Führungsstrukturen nicht schnell und flexibel auf innere und äußere Veränderungen reagieren. Erst allmählich gewann das Bewusstsein Bedeutung, dass die Geschäftsprozesse gesteuert und transparenter dargestellt werden müssen. Hierzu wurden Prozessmodelle entwickelt und die Verantwortlichkeiten in den Prozessen und für die Prozesse als klare Managementverantwortung verstanden.
Zu dieser Entwicklung haben wesentlich die normenbasierten Führungs- und Managementsysteme der ISO-9000-Familie, die Entwicklungen zum Total Quality Management und später zur Business Excellence sowie die prozessbasierten Real-Time-IT-Systeme beigetragen.
Der Schritt, die tatsächliche Managementverantwortung nicht nur funktions-, sondern in erster Linie prozessbezogen auszuüben, ist in vielen Unternehmen noch nicht vollzogen. Die parallele Steuerung von Prozessen und Funktionen erfordert einen zusätzlichen Abstimmaufwand, der durch zusätzlichen Nutzen kompensiert werden muss. Die Entwicklung effektiver und effizienter Formen prozessorientierter Organisationen hat jedoch in vielen Fällen gegenüber der bisherigen funktionalen Organisation zu erheblichen Rationalisierungen und vor allem zu einer durchgehenden internen und externen Kundenorientierung geführt. Die Chance zur insgesamt verbesserten Effektivität und Effizienz ist gegeben.
Prozesse sind wichtiger Bestandteil der Managementverantwortung
Prozesse als zentrale Elemente der Leistungserstellung im Unternehmen werden zunehmend zu einem zentralen Objekt der Managementverantwortung. Daraus entstehen klare Rollen für den Prozess und im Prozess sowie für sein Controlling.
Prozesse innerhalb des Controllings
Der Trend zur Prozessorientierung gilt natürlich auch für das Controlling selber. Deshalb hat die International Group of Controlling (IGC) einen Leitfaden für die Beschreibung und Gestaltung der Controllingprozesse im Detail erarbeitet. In Abb. 20 sind die Controlling-Hauptprozesse abgebildet.
Die konkrete Ausgestaltung wird sich am Geschäftsmodell, der Unternehmens- und Organisationsstrategie und -größe zu orientieren haben. Der Leitfaden bietet dazu durch eine 4-stufige Tiefengliederung pro Hauptprozess viele Grundlagen.
Abb. 20: Controlling-Prozessmodell (IGC)