Prof. Dr. Andreas Seufert, Ralph Treitz
Wie aus der Auflistung der Herausforderungen schon ersichtlich, ist es mit besserem Werkzeug allein nicht getan. Solange die Rollenbeschreibung des Controllings auf dem in der Einleitung beschriebenen Stand von 2014 verbleibt, nutzen auch die besten Tools nichts. Die Analyse der Verwertungshäufigkeit von Erkenntnissen aus dem Controlling bietet ein durchaus bedenkliches Bild.
Die Steuerung von Unternehmen basiert zumeist auf top-down definierten Zielen, die zusammen mit Vorgaben zu Umsetzung und entsprechenden KPIs ausgegeben werden. Es ist nachvollziehbar, dass die Ausgabe von individuellen Zielen, insbesondere, wenn sie dann auch noch monetär belohnt werden, zu einer entsprechenden Fokussierung führt. Leider treten hier aber eine ganze Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen auf:
- Erkenntnisse aus dem Controlling, die an Verantwortliche herangetragen werden, dort aber keinen Beitrag zu einem ausgegebenen KPI leisten, werden rundheraus abgelehnt. Gleichgültig, wie sinnvoll die Erkenntnisse sind, sie sind oft nicht von Interesse und es sind keine Ressourcen für die Umsetzung verfügbar.
- Umgekehrt wird das Beharren auf vermeintlich bewährten Abläufen trotz anderer Erkenntnisse im Controlling sogar dadurch begründet, dass es ja, wenn hier ein erstrebenswertes Ziel vorliegen würde, sicherlich auch einen entsprechenden KPI gäbe.
- Aufgrund über Jahrzehnte immer weiter verfeinerter Methoden der Zielmanagementsysteme wurden die ausgegebenen KPI-Systeme immer komplexer. Damit sind sie naturgemäß weniger schnell an aktuelle Herausforderungen anpassbar. Das schlägt sich auch in der (mangelnden) Bereitschaft der Träger dieser Ziele nieder, dynamisch auf Herausforderungen zu reagieren.
Die Konditionierung, an einer einmal etablierten Systematik festzuhalten, führt dann im Verbund mit klassischen deskriptiven Instrumenten des Controllings zu einer sich selbst bestätigenden Prophezeiung. Das Controlling liefert Auswertungen, die exakt auf die gegebenen KPIs ausgerichtet sind. Da diese kleinteilig für einzelne Einheiten im Unternehmen jeweils anders gestaltet sind, bekommt jeder Fachentscheider die Auswertung auf die jeweils eigene Weltsicht zugeschnitten. Es sind zwar keine "Gefälligkeitsanalysen", die so entstehen, schließlich werden Zielverfehlungen weiterhin aufgezeigt. Aber kritische, grundsätzlich ergebnisoffene Analysen können auf diese Weise nicht erstellt werden. In der Folge bleiben wertvolle Erkenntnisse unberücksichtigt, Handlungsspielräume gehen verloren.