Leitsatz
1. Es bleibt offen, ob bei der Wiedereinfuhr von Ursprungserzeugnissen der Europäischen Gemeinschaft aus der Tschechischen Republik jedenfalls vor dem 31.5.2004 Zollpräferenzen zu gewähren waren.
2. Die Neufassung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK durch die VO Nr. 2700/2000 kann erst auf Zollschulden angewandt werden, die nach dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens (19.12.2000) entstanden sind.
3. Zu den Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung und zur Bindungswirkung tatrichterlicher Feststellungen.
4. Ein Antrag auf Zollbefreiung für Rückwaren kann auch noch nach der Abgabe der Zollanmeldung gestellt werden. Dafür genügt es, wenn sich der Wille des Beteiligten, die Zollfreiheit für Rückwaren in Anspruch zu nehmen, aus den Umständen ergibt.
Normenkette
Art. 16 Abs. 1 Europaabkommen Tschechien Protokoll Nr. 4, , Art. 20 Europaabkommen Tschechien Protokoll Nr. 4 , Art. 185 Abs. 1 VO Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 220 Abs. 1 VO Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 220 Abs. 2 Buchst. b VO Nr. 2913/92 (ZK) , Art. 848 Abs. 1 VO Nr. 2454/93 (ZKDVO) , § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO , § 118 Abs. 2 FGO , § 138 Abs. 3 ZPO
Sachverhalt
Im Frühsommer 1998 wurden Pkw, die ursprünglich in Deutschland hergestellt worden sein sollen, aus Tschechien nach Deutschland eingeführt und zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Dabei wurden von den tschechischen Behörden ausgestellte Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 vorgelegt.
Auf Nachprüfungsersuchen des HZA wurde jedoch vom tschechischen Finanzministerium mitgeteilt, dass der Ausführer nicht in der Lage gewesen sei, Dokumente zum Nachweis des Ursprungs der Pkw in Deutschland vorzulegen und dass diese nicht als Ursprungswaren betrachtet werden könnten. Das HZA forderte daraufhin Zoll nach.
Entscheidung
Es fehlen Feststellungen des FG dazu, dass die tschechischen Behörden die Ursprungszeugnisse EUR.1 aufgrund richtiger und vollständiger Angaben der Ausführer, also in Verkennung der Ursprungsregeln, ausgestellt haben. Die Sache war daher an das FG zur Aufklärung zurückzuverweisen.
Hinweis
1. Der BFH ist an die Tatsachenfeststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Er muss von dem Sachverhalt ausgehen, den das FG für gegeben erachtet hat, auch wenn dessen diesbezügliche Feststellungen nicht zwingend richtig erscheinen. Freilich müssen sie, und zwar aufgrund der dem FG vorliegenden Beweismittel, "möglich" erscheinen. Der BFH muss in der Lage sein nachzuvollziehen, wie das FG zu der seine Entscheidung tragenden Überzeugung gelangt ist. § 118 Abs. 2 FGO ist also kein Freibrief für das FG zur "Sachverhaltspresse" oder zu einer Entscheidung aufgrund von Mutmaßungen oder Unterstellungen zugunsten eines Beteiligten (und damit zwangsläufig zulasten des Anderen). Die eingeschränkte revisionsgerichtliche Prüfung der Sachverhaltsfeststellungen des FG beschränkt sich also keineswegs auf die Prüfung, ob diese widerspruchsfrei und überhaupt denkmöglich sind!
2. Die Rechtsprechung der Revisionsgerichte ist allerdings im Allgemeinen ziemlich zurückhaltend mit dem Vorwurf, das FG habe seine angebliche "Überzeugung" nicht aufgrund von Beweismitteln nachvollziehbar gewinnen können, sondern den (ihm wahrscheinlich erscheinenden oder gar nur einen ihm genehmen) Sachverhalt schlicht unterstellt. Die Besprechungsentscheidung und das BFH-Urteil VII R 76/04 zeigen aber deutlich Grenzen dieser Zurückhaltung auf und sind Beispiele dafür, dass eine substanzielle Überprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung durchaus möglich ist, ohne diesen aus seiner ureigensten Aufgabe der Sachaufklärung unziemlich zu verdrängen.
3. Achten Sie ggf. darauf, dass das FG auch die Grundsätze der Beweiserhebung beachtet, deren Befolgung ebenfalls revisibel ist. Dazu gehört, dass es nur ausnahmsweise bloß aufgrund (streitigen) Beteiligtenvorbringens sein Urteil fällen darf, wenn Beweismittel (insbesondere Zeugen, die vor dem Gericht vernommen werden müssen) zur Hand sind.
4. Eine Präferenzbehandlung von Waren scheidet aus, wenn bei der Überprüfung einer Warenverkehrsbescheinigung nicht eindeutig festzustellen ist, dass diese richtig ist. Die Einfuhrabgaben sind dann allein aufgrund der Mitteilung des Ausfuhrstaats nachzuerheben, dass die Präferenznachweise nicht den Erfordernissen entsprechen, ohne sich darum zu bemühen, den tatsächlichen Ursprung der eingeführten Waren festzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 17.7.1997, Rs. C-97/95, EuGHE 1997, I-4209). Eine Ausnahme besteht dann, wenn sich der betreffende Wirtschaftsteilnehmer ganz außergewöhnlichen Umständen gegenübersieht, auf die er keinen Einfluss hat und deren Folgen er trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können (vgl. EuGH, Urteil vom 23.2.1995, Rs. C-334/93, EuGHE 1995, I-319).
5. Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK i.d.F. der VO Nr. 2700/2000 ist nicht auf Zollschulden anzuwenden, die vor In-Kraft-Treten der vorgenannten Änderungsverordnung entstanden sind. Denn es handelt sich nicht um eine Verfahrensvorschrift, sondern um eine materiell-rechtl...