Dr. Angelica M. Schwarz, Dr. Manuel Koch
Ausgehend von der im 1. Kapitel der Beitragsreihe aufgestellten Hypothese "Daten haben einen Wert" (s. Abschnitt 1.1.), erfolgt im 2. Kapitel ein vertiefter Blick auf die strategischen und informationstechnologischen Aspekte der wertschöpfenden Verwendung von Daten in Unternehmen. Mit diesem technisch geprägten "Blick über den Tellerrand" sollen die Grundlagen für die Identifikation der aus einer Datenstrategie und deren Umsetzung folgenden bilanziellen, steuerlichen und rechtlichen Fragestellungen und Aufgaben der (steuerlichen und rechtlichen) Stakeholder für Zwecke der späteren vertieften Analyse angesprochen werden.
2.1 Zweck eines Big Data Projekts
2.1.1 Geschäftsmodell als Ausgangspunkt
Mit Big Data Projekten lassen sich verschiedene Zwecke verfolgen. So facettenreich Geschäftsmodelle sind, so vielfältig sind auch die Einsatzgebiete von Big Data. Dabei kann Big Data ein Teil des Geschäftsmodells sein oder aber das eigentliche Geschäftsmodell bilden. Zu denken ist etwa an ein Produktionsunternehmen, welches Maschinendaten analysiert, um Fertigungsprozesse zwecks Kosteneinsparung intelligenter bzw. effizienter zu gestalten. Die Big Data Anwendung dient als ein Hilfsmittel, um die Produktionsleistung (ergo das bestehende Geschäftsmodell) zu verbessern. Nicht bloß Hilfsmittel, sondern eigentliches Geschäftsmodell bilden Big Data Anwendungen, wenn Informationen oder Daten als Teil einer Dienstleistung erbracht werden. Die Rede ist z.B. von Information as a Service (IaaS) oder Data as a Service (DaaS): Der erste Begriff bezieht sich auf Serviceanbieter, die Clouds einrichten, verwalten und Cloud-Computing-Services (dies umfasst etwa das Bereitstellen von Softwarelösungen) anbieten. Der zweite Begriff bezeichnet ein Konzept, welches – ebenfalls über eine Cloud-Lösung als zugrundeliegende Technologie – namentlich auf die Speicherung, Integration, Verarbeitung und Analyse von Daten ausgerichtet ist.
Letztendlich sind es somit die Ausgestaltung des Geschäftsmodells sowie die damit einhergehend definierten Ziele, welche vorgeben, ob und für welchen Zweck Big Data Technologien im Unternehmen eingesetzt werden sollen. Da der Informationsgehalt von Daten unterschiedlich ist, gibt es das Big Data Projekt nicht. Ebenfalls lassen sich nicht alle Datenstrategien nach dem exakt gleichen Schema umsetzen. Trotz der vielfältigen Ausgestaltung lässt sich zumindest für gewinnstrebige Unternehmen die Kernaussage treffen, dass die Big Data Lösung dazu dienen soll, die Unternehmensziele zu erreichen, mithin also den Gewinn zu steigern.
Wie Daten in der Praxis wertschöpfend genutzt werden können, zeigen die Autoren detaillierter anhand der nachfolgenden beiden Use Cases auf (zu den Anwendungsbereichen von Big Data Analytics vgl. auch Abschnitt 1.1.1.
2.1.2 Use Case 1: Archilyse AG
2.1.2.1 Geschäftsmodell
Bei der Archilyse AG handelt es sich um eine im Jahre 2017 gegründete Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht mit Sitz in Zürich. Das Geschäftsmodell des ETH-Spin-Off besteht darin, die Qualität von Architektur und Immobilien digital und objektiv messbar, vergleichbar und verständlich zu machen. Zu diesem Zweck hat die Archilyse AG ein digitales Verfahren entwickelt, um Immobilienqualität auf Basis von Grundrissen zu berechnen. Hierzu folgendes Fallbeispiel:
Geschäftsmodell Archilyse AG
Frau Z. möchte die Liegenschaft X. an der Landstrasse in Zürich erwerben. Für die Preisverhandlung möchte sie vorgängig folgende Fragen beantwortet haben:
- Wie ist die Lage der Liegenschaft?
- Wie lassen sich die Innenräume möblieren?
- Wieviel Sonnenlicht strömt durch die Räume?
- Wie ist die Aussicht?
Die obigen Fragen kann Frau Z. allesamt subjektiv beantworten. Gewiss hat auch die subjektive Einschätzung einen Einfluss auf den Preis, den Frau Z. gewillt zu bezahlen ist. Weil jedoch persönliche Präferenzen auseinandergehen können, stärkt dies die Verhandlungsposition von Frau Z. nur schwach. Die obigen Fragen möchte sie deshalb objektiv beantwortet haben.
Mit ihrem auf Grundrissplänen basierten Big Data Ansatz kann die Archilyse AG objektive Antworten liefern, indem Immobiliendaten zu verwertbaren Erkenntnissen verarbeitet werden. Die Lage der Liegenschaft, die Gestaltungsmöglichkeiten und Helligkeit der Innenräume sowie die Aussicht erhalten einen monetären Wert frei von Bauchgefühl und persönlicher Erfahrung.
2.1.2.2 Unternehmensdatenkapital
Die Archilyse AG gewinnt ihre Daten aus Grundrissplänen. Konkret werden aus 2D-Grundrissen 3D-BIM-Modelle des Objekts erstellt. BIM steht für Building Information Modeling: Damit wird ein digitaler Prozess beschrieben, mit welchem Bauwerksdaten (z.B. Räume, Bauteile und/oder Bauprodukte) zur Unterstützung von Planung, Bau und Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken modelliert werden. Vereinfacht ausgedrückt: Anhand des BIM-Verfahrens wird ein reales Gebäude virtuell dargestellt. Hat die Archilyse AG das 3D-BIM-Modell erstellt, wird dieses in den Umgebungskontext eingebettet.
Die Verschmelzung von Geo...