Leitsatz
Die Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte zum Zweck eines Arbeitseinsatzes aufsucht. Sie greift auch dann ein, wenn die regelmäßige Arbeitsstätte freiwillig zum Zweck der Fortbildung angefahren wird.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger machte in seiner ESt-Erklärung (Streitjahr 1992) für 37 Fahrten zu seiner Arbeitsstätte, die er für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen aufgesucht hatte, Kosten in Höhe von 0,52 DM für jeden Kilometer geltend. Die Veranstaltungen, die vom Kläger freiwillig während seiner Freizeit besucht wurden, fanden in den Betriebsräumen des Arbeitgebers statt.
Das FA vertrat die Auffassung, auch diese (freiwilligen) Fahrten des Klägers zur Arbeitsstätte unterlägen der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Die Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Der Gesetzestatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (a.F.) sei auch dann erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte freiwillig außerhalb der Arbeitszeit zum Zweck der Fortbildung aufsuche.
Hinweis
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. werden Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur mit einem Pauschbetrag für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannt. Der Wortlaut dieser Lenkungsnorm, die aus haushalts- und verkehrspolitischen Gründen eine Abzugsbeschränkung enthält, ist eindeutig. Die Vorschrift sieht keine Differenzierung danach vor, zu welchem Anlass die Fahrt vorgenommen wird. Auch wer freiwillig von zu Hause zur Arbeitsstätte fährt, unternimmt eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
2. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Sondertatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. Mit Satz 2 hat der Gesetzgeber anerkannt, dass auch mehrere Fahrten an einem Arbeitstag beruflich veranlasst sein können. In Abweichung von der Regel, dass grundsätzlich nur eine Hin- und Rückfahrt je Arbeitstag zu berücksichtigen ist, werden deshalb zusätzliche Fahrten berücksichtigt, und zwar für den Fall eines zusätzlichen Arbeitseinsatzes außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit und einer Arbeitsunterbrechung von mehr als 4 Stunden. Für die Streitfrage ergibt sich folglich aus Satz 2 nichts.
3. Das Besprechungsurteil entwickelt alte Rechtsgrundsätze weiter. Bereits im Urteil vom 18.1.1991, VI R 132/86, BStBl II 1991, 408 hatte der BFH entschieden, dass die Anwendung der gesetzlichen Pauschbeträge nicht von weiteren Voraussetzungen, etwa der Erbringung der Arbeitsleistung, abhängig sei. Entscheidend sei lediglich, dass die Arbeitsstätte aus beruflichen Gründen aufgesucht werde.
4. Dem Urteilsergebnis lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass als Arbeitsstätte der Ort bezeichnet wird, an dem der Arbeitnehmer mit gewisser Regelmäßigkeit die aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat, in aller Regel also der Betrieb des Arbeitgebers. Diese Definition zielt (lediglich) auf die Festlegung der für § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG maßgeblichen Arbeitsstätte; die angeführte Definition kann jedoch nicht dahin verstanden werden, dass nur – dem Arbeitgeber gegenüber – geschuldete Fahrten der Abzugsbeschränkung unterliegen würden.
5. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass freiwillige Fahrten zur Arbeitsstätte der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. unterfallen. Eine Berücksichtigung der tatsächlichen Kfz-Kosten oder der Kosten nach Dienstreisegrundsätzen scheidet aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.2.2003, VI R 30/02