Leitsatz
1. Besorgen einer sonstigen Leistung i.S.d. § 3 Abs. 11 UStG liegt vor, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen Leistungen durch einen Dritten erbringen lässt ("Leistungseinkauf") oder wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen Leistungen an Dritte erbringt ("Leistungsverkauf", gegen Abschn. 32 Abs. 1 Satz 1 UStR).
2. Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht § 3 Abs. 11 UStG hinsichtlich des zu erreichenden Ziels den Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG.
3. Besorgt ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung, so sind die für die besorgten Leistungen geltenden Befreiungsvorschriften (hier: § 4 Nr. 8 Buchst. a oder Buchst. d UStG) auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden.
Normenkette
§ 3 Abs. 3 UStG , § 3 Abs. 11 UStG , § 4 UStG , Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin legte entsprechend den Treuhandverträgen die ihr von ausländischen Firmen zur Verfügung gestellten Geldbeträge im eigenen Namen bei inländischen Banken als Termingelder an. Für jeden Auftraggeber wurde ein eigenes Konto angelegt. Die Klägerin musste herausgeben, was sie aufgrund des Treuhandverhältnisses erlangte; für ihre Tätigkeit erhielt sie ein Entgelt in Höhe einer Zinsmarge.
Die Klägerin behandelte diese Provision als nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfrei. Das FA meinte, es handele sich um steuerpflichtige Vermögensverwaltung.
Entscheidung
Der BFH ließ offen, ob eine steuerfreie Kreditgewährung (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG) oder ein steuerfreier Umsatz im Einlagengeschäft (§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG) vorlag. In beiden Fällen seien ebenso wie die Leistungen der Klägerin an die inländischen Banken (auch) die Leistungen der Klägerin steuerfrei. Die Klägerin habe für die Treugeber deren Gelder im eigenen Namen bei inländischen Banken angelegt. Sie habe damit für die Treugeber die o.g. Geschäfte (Kreditgewährung oder Einlagen) besorgt.
Die Anwendung der Grundsätze der Leistungskommission (§ 3 Abs. 11 UStG) bedeute für den Streitfall: Die Klägerin (Treuhänderin) ist so zu behandeln, als ob sie ihre Umsätze an die Banken von den Treugebern selbst erhalten hätte, als ob also die Treugeber ihr Kredite gewährt oder ihr gegenüber Umsätze im Einlagengeschäft ausgeführt hätten. Da die Umsätze der Klägerin an die Banken (die besorgten Leistungen) steuerfrei sind, gelte dasselbe für die entsprechenden (fingierten) Umsätze der Treugeber ihr gegenüber.
Hinweis
§ 3 Abs. 11 UStG 1980 ff. regelt ganz allgemein: "Besorgt ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung, so sind die für die besorgten Leistungen geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistungen entsprechend anzuwenden." Die Finanzverwaltung wendet diese Vorschrift nur für den Leistungseinkauf an (z.B. für die Besorgung von Beförderungsleistungen (vgl. Abschn. 32 Abs. 1 UStR). Der BFH bestätigt mit diesem Urteil nochmals die neue Rechtsprechung zur Leistungskommission. Danach gelten für alle Fälle der Geschäftsbesorgung die gleichen Grundsätze.
Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-RL formuliert das ganz einfach: Steuerpflichtige (= Unternehmer), die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten tätig werden, sind so zu behandeln, als ob sie diese Dienstleistung selbst erhalten und erbracht hätten. Das bedeutet: mit Ausnahme der persönlichen Besteuerungsmerkmale (z.B. § 19 UStG: Kleinunternehmerbesteuerung) gelten für die Besorgungsleistung die gleichen Besteuerungsgrundsätze (Steuerbefreiung, Steuersatz usw.) wie für die "besorgte Leistung". Beachten Sie, dass die Finanzverwaltung diese Grundsätze bisher nicht anwendet!
Für die bisherige Einschränkung (nur "Leistungseinkauf", z.B. Besorgen von Beförderungsleistungen) ließ sich für das UStG 1980 nur noch die Entstehungsgeschichte heranziehen. Bei der Auslegung sind aber stets die EG-Richtlinien zur Mehrwertsteuer zu beachten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.01.2002, V R 40, 41/00