Kai Grönke, Adrian Glöckner
Aufgrund der sich stark verändernden Finanzprozesse und die damit einhergehende Neuordnung der Aufgabenteilung werden in Zukunft neue Organisationsformen entstehen. Bisher war die Mehrzahl der Finanzorganisationen in den Unternehmen funktional ausgerichtet. So gab es eine organisationale Trennung zwischen den einzelnen Funktionsbereichen wie Rechnungswesen, Controlling oder Steuern. Diese wurden dann i. d. R. eine Ebene tiefer nochmals untergliedert, wie bspw. dem internen und externen Rechnungswesen. Diese Form der organisatorischen Aufstellung folgt einem Siloprinzip, bei dem die Interaktionspunkte und Verknüpfungen zwischen den Funktionsbereichen eingeschränkt sind.
3.1 Entwicklung von Shared-Service-Organisationen
Abkehr vom Silo-Denken in der organisationalen Gestaltung
Im Laufe der Zeit entstanden durch die Bündelung von gleichartigen Prozessen ergänzende Strukturen. Je nach Art der gebündelten Prozesse spricht man von einem "Shared Service Center" (transaktionaler, repetitiver Prozesscharakter) oder "Center of Excellence" (wissensbasierter, geschäftsvorfallspezifischer Prozesscharakter). Die Finanzorganisation erfährt dadurch eine stärkere prozessuale Ausrichtung. Der Implementierungsgrad dieser neu hinzugekommenen Strukturen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Viele Unternehmen verfügen bereits heute über ein "Shared Service Center" (kurz: SSC) innerhalb der Finanzorganisation. Davon sind etwas mehr als die Hälfte als sog. "Single-tower"-SSC konzipiert. Dies bedeutet, dass das SSC den Fokus auf Prozesse innerhalb eines Funktionsbereichs wie bspw. Finanzen legt. Der verbleibende Anteil entfällt maßgeblich auf "Multi-tower"-SSC, innerhalb derer Prozesse mehrerer Funktionsbereiche durchgeführt werden (z. B. Finanzen, HR, IT etc.).
Der Trend hin zu Shared-Service-Organisationen wird andauern und sich durch die Digitalisierung sogar weiter verstärken. Insgesamt wird also die Verbreitung von Shared Service Organisationen spürbar zunehmen. Ihre Größe gemessen an den beschäftigten Mitarbeitern wird sich jedoch gegenläufig entwickeln. Die Erklärung hierfür liegt u. a. in der zunehmenden Prozessautomatisierung, die dafür sorgt, dass menschliche Arbeitskraft langfristig in einem wesentlich geringeren Umfang benötigt wird. Durch den Einsatz von RPA oder ähnlichen Technologien werden besonders die transaktionalen Prozesse, die bisher typischerweise in einem SSC ablaufen, in Zukunft ohne menschliches Eingreifen ablaufen. Somit sinkt die Zahl der benötigten Mitarbeiter in den Shared-Service-Organisationen langfristig. Abb. 4 stellt diese Entwicklung schematisch dar.
Innerhalb der Shared-Service-Organisationen ist ein klarer Trend hin zu "Multi-tower" bzw. "Integrated Business Services" erkennbar. Hinzu kommt häufig, dass diese Shared-Service-Organisationen als "Service-Division" geführt werden. Dadurch wird nicht nur die Ausführung eines Prozesses, sondern die gesamte Prozessverantwortung an die Shared-Service-Organisation übergeben. Diese bietet dann die Prozessdurchführung als eigenständigen Service dem entsprechenden Funktionsbereich mittels eines "Service Level Agreements" (kurz: SLA) an.
Abb. 4: Entwicklung von Shared-Service-Organisationen
3.2 Die integrierte Finanzorganisation
Digitalisierung führt zur Verschmelzung bestehender Funktionen im Finanzbereich
Die digitale Transformation leitet die nächste Entwicklungsstufe hin zur digitalen und integrierten Finanzorganisation ein. Unter Integration in diesem Zusammenhang ist das Verschmelzen bereits bestehender Funktionen innerhalb des Finanzbereichs gemeint. Traditionelle und historisch gewachsene Grenzen zwischen den einzelnen Funktionen werden in zukünftigen organisatorischen Konzepten aufgeweicht oder sogar komplett aufgehoben. Dies wird u. a. durch die Einführung von modernen ERP-Systemen wie "SAP S4/HANA" begünstigt. Diese neuartigen ERP-Systeme und andere Softwarelösungen vereinen einzelne Funktionsbereiche wie Controlling und Buchhaltung. Die systemische Zusammenlegung der Funktionen wird eine organisatorische Verschmelzung der Aufgaben nach sich ziehen. Damit einhergehend werden Effizienzgewinne wie bspw. durch den Wegfall von Überleitungsaufgaben erzielt.
Die digitale Finanzorganisation sieht des Weiteren die Etablierung von neuen Funktionsbereichen wie dem "Data Science & Steering Lab" vor. Dort werden "Data Scientists" ihre organisatorische Heimat finden. Als eigenständige Organisationseinheit erfüllt das "Data Science & Steering Lab" wesentliche Funktionen wie bspw. die Bereitstellung entsprechender Plattformen. Abb. 5 zeigt die Übersicht der verschiedenen Funktionen und Aufgaben der neuen Organisationseinheit.
Abb. 5: Funktionen und Aufgaben des Data Science und Steering Labs
Bei der Betrachtung der zukünftigen Dimensionierung der digitalen Finanzorganisation lässt sich keine pauschale Aussage treffen. Zwar fallen mit einer hohen Wahrscheinlich ganze Abteilungen in Zukunft weg. Dafür kommen jedoch auch neue Organisationselement hinzu. Der Gesamteffekt auf die Dimensionierung der digitalen Finanzorganisation ist also nur schwer vorh...