Dr. Matthias Emler, Johannes Nawrath
Es liegt in der Natur von prädiktiver Analytics, dass diese eine objektive Prognose der Zukunft darstellen. Hinzu kommt, dass prädiktive Analytics automatisch auf einem granularen/operativen Level stattfinden können. Folglich kann ein Forecast mittels prädiktiver Analytics den Forecast-Prozess weitgehend automatisieren. Er ersetzt aber nicht den eigentlichen Planungsprozess. Durch seine Objektivität ist der algorithmische Forecast aber geeignet, um als Ausgangspunkt der Planung zu dienen.
Für eine optimale Verzahnung schlagen wir den in Abb. 2 dargestellten schematischen Planungsprozess zur Illustration vor, welchen wir näher beschreiben wollen.
Abb. 2: Prozessplanung
In einem ersten Schritt erfolgt ein Forecast mittels prädiktiver Analytics, welcher im zweiten Schritt auf ein steuerungsrelevantes Level aggregiert wird. Basierend auf dieser Aggregation erstellt das Top-Management in einem dritten Schritt ein Target Setting, in welchem bewusst von der objektiven Prognose abgewichen werden kann, z. B.: "Der Forecast sagt voraus, dass wir unseren Marktanteil in einem gewissen Land halten; durch zusätzliche Werbemaßnahmen planen wir allerdings diesen, um x % zu steigern".
Anschließend werden diese Targets in einem vierten und fünften Schritt bis auf ein operatives Level heruntergebrochen. In einem sechsten Schritt kommt es zu etwaigen Fein-Justierungen. Hierbei ist denkbar, dass die operativen Einheiten zwar "Beträge hin und her schieben" dürfen, das Gesamtziel aber immer noch erreichen müssen. In einem siebten Schritt werden diese Ziele dann wieder bis auf Gruppenebene aggregiert und in einem finalen Schritt verabschiedet.
Neben der Verzahnung in den jährlichen Planungsprozess kann ein Forecast mittels prädiktiver Analytics auch für eine Modellierung von Szenarien im Rahmen der unterjährigen Steuerung genutzt werden: Ist der algorithmische Forecast so konzipiert, dass er kontinuierlich die zu erwartende Zukunft prognostiziert, kann er genutzt werden, um zu analysieren, ob verschiedene Managementmaßnahmen (z. B. Werbemaßnahmen, Kostensparmaßnahmen usw.), die gewünschte Wirkung erzielen bzw. ob etwaige weitere Maßnahmen nötig sind. Ferner kann er z. B. auch genutzt werden, um zu analysieren, wie sich externe Schocks ("Neben meiner Eisdiele hat eine zweite Eisdiele eröffnet.") auf die Geschäftskennzahlen auswirken.
Hierbei ist es in einem gewissen Rahmen möglich, den algorithmischen Forecast um Funktionalitäten zu erweitern, welche z. B. über Natural Language Processing (NLP) aus unstrukturierten Textdaten (z. B. Nachrichten) Informationen generieren, ob evtl. externe Schocks auf das Unternehmen zukommen.
In einem ersten Schritt können diese zusätzlichen Informationen Experten dabei helfen, über manuelle Adjustierung von Simulationsparametern den prädiktiven Forecast auf den erwarteten externen Schock hin anzupassen. Je mehr Kontextinformation dieses "Radarsystem" dabei mitgeneriert, umso mehr hilft es den Experten, die manuelle Adjustierung treffsicher vorzunehmen. Vor allem in komplexen und globalen Märkten kann ein solches automatisiertes Generieren von Informationen zu etwaigen externen Einflüssen führen, die Effizienz im Forecasting weiter steigern.
Das Unternehmen ist dazu in der Lage, solche Einflüsse früher und mit weniger Aufwand zu erkennen, einzuschätzen und entsprechend zu reagieren. Unter bestimmten Voraussetzungen können die durch NLP generierten Erkenntnisse auch automatisch in den algorithmischen Forecast als Treiberinformation einfließen, wodurch der Automatisierungsgrad nochmals gesteigert wird. Dabei ist zu bemerken, dass die Implementierung solcher Modelle komplex und eine erfolgreiche Umsetzung an enge Bedingungen geknüpft ist.