Im Zeitalter der Digitalisierung muss der Fokus auf neue Wettbewerber sehr viel breiter gewählt werden als bisher. So kann es z. B. sein, dass es zum Markteintritt von bisher völlig branchenfremden Unternehmen kommt, die vergleichbare Produkte dem Endkunden vergünstigt oder sogar kostenlos zur Verfügung stellen, nur um auf diesem Weg an für sie interessante Kundendaten zu gelangen. Derartige Geschäftsmodelle kennt man bspw. in der Telekommunikationsindustrie schon seit geraumer Zeit, in der günstige Angebote für Endgeräte in Verbindung mit einem Vertrag ein gängiges Akquisekonzept sind.
Durch die steigende Datenmenge und deren Vermarktungspotenziale wird sich ein Preis dafür etablieren. Während wir bisher diesen Preis noch nicht exakt bestimmen können (man denke z. B. nur an die bekannten Unternehmen der Social-Media-Branche mit ihren Massendaten und deren aktuellen Börsenwerte), wird sich in naher Zukunft mehr und mehr ein Mehrwert für die nutzenden Unternehmen herauskristallisieren, der sich in Preisen messen lässt. Wer wäre z. B. interessiert an Daten von Konsumenten, die eine Waschmaschine nutzen? Hersteller von Waschpulver? Die Bekleidungsindustrie, um die Haltbarkeit ihrer Waren besser abschätzen zu können? Die Stromindustrie, um kundenindividuell Angebote unterbreiten zu können? Was wären diese Firmen bereit, für diese Daten zu zahlen?
Je mehr Daten zu attraktiven Preisen verkauft werden können und je mehr neue Geschäftsmodelle dabei entstehen, desto größer wird ggf. die Möglichkeit, dass Markteintritte in bis dato etablierten Branchen auch für Branchenfremde möglich werden. Damit sind aber die Konkurrenten nicht nur die unmittelbar bekannten alten Firmen, die ebenso das Produkt (wie im o. a. Fall ggf. eine Waschmaschine) produzieren, sondern digitale Konzerne, die Produkte kaufen und mit Daten und deren Vermarktung Geld verdienen. Eine digitale Welt kann also durchaus eine völlig veränderte Marktsituation ergeben. Damit wird es wesentlich schwerer werden, z. B. einen Marktanteil zu messen. Marktanteil exklusiv von branchengleichen Playern oder inklusive branchenfremder Akteure? Wo werden Grenzen gezogen?
Ein anderes Beispiel: Ein Unternehmen produziert Saatgut für die Agrarwirtschaft. Wenn nun ein Produzent von Agrarmaschinen in den Markt einsteigt und dem Landwirt seine landwirtschaftliche Maschine (z. B. Traktor) verkauft und ihm als Gegenleistung für die Bereitstellung aller Daten kostenlos das Saatgut zur Verfügung stellt, dann kann sich folgende Situation ergeben:
- Wenn das Modell funktioniert, kann der Hersteller von landwirtschaftlichen Maschinen dem Landwirt ggf. exakt prognostizieren, zu welcher Zeit er welches Saatgut in welcher Menge nutzen sollte, um den besten Ertrag zu erzielen. Der Landwirt kann Saatgut ggf. sparen (Menge, Preis) und ist abhängig von den Empfehlungen des Herstellers von landwirtschaftlichen Produkten, nicht mehr vom Saatguthersteller. Eine klassische "win-win"-Situation: Der Landwirt reduziert Kosten, der Hersteller landwirtschaftlicher Produkte bekommt wichtige Daten für die Weiterentwicklung seiner Produkte und kann diese Daten evtl. sogar noch weiterverkaufen.
- Je mehr Landwirte der Landwirtschaftsmaschinen-Hersteller überzeugt, desto mehr Marktmacht bekommt er und kann dadurch den Preis und die Nachlässe für sich bestimmen (und damit für die Landwirte, denen er das Saatgut allerdings ggf. weiterhin kostenlos zur Verfügung stellt). Es entsteht somit für den Saatguthersteller ein völlig neuer Konkurrent, der selbst zwar kein Saatgut produziert aber seine Marktmacht dem Saatguthersteller gegenüber ausüben kann. Damit ergibt sich eine neue Situation, die von klassischen Marktanalysen nicht erfasst werden kann.
Es zeigt sich also, dass in einer digitalen Welt vordergründig kleinere Veränderungen bestehender Geschäftsmodelle mitunter weitreichende Konsequenzen für das gesamte eigene, aber auch fremde Unternehmen haben können. Auch das Controlling muss die sich ergebenden Herausforderungen annehmen und seine Arbeitsweisen und Instrumente entsprechend anpassen, um eine Steuerung insgesamt zu gewährleisten. Daher bedarf es einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit den betroffenen Abteilungen und deren Prozessen und Organisation. Auch die IT sollte sehr früh mit eingebunden werden. Damit ist eine der (neuen) Schlüsselanforderungen für Finanzmanager, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Technologie die Finanztransformation und damit das Unternehmen treiben kann.