Leitsatz
1. Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 269 Abs. 1 SGB VI sind als akzessorische Zusatzleistungen einer gesetzlichen Altersrente der Basisversorgung ("erste Schicht") anzusehen und unterliegen daher der nachgelagerten Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.
2. Die Öffnungsklausel für eine zumindest teilweise Ertragsanteilsbesteuerung von Basisversorgungsrenten ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG nur auf Antrag des Steuerpflichtigen und nicht von Amts wegen anzuwenden.
3. Regelmäßige Rentenanpassungen sind nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden gesetzlichen Anordnung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG auch in der für Renteneintrittsjahrgänge bis einschließlich 2039 geltenden Übergangsphase nicht nur mit dem individuellen Besteuerungsanteil, sondern in voller Höhe zu besteuern (Anschluss an Senatsurteil vom 26.11.2008 – X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710).
4. Bei den gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG nur mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten aus privaten Versicherungsverträgen außerhalb der Basisversorgung kann gegen das Verbot der doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und späteren Alterseinkünften bereits aus systematischen Erwägungen nicht verstoßen werden.
5. Die Überschussbeteiligung aus einer privaten Leibrentenversicherung gemäß § 153 VVG ist einheitlich mit der garantierten Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem gesetzlichen Ertragsanteil zu besteuern.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 1, 4, 5 und 7, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Sätze 1, 2 und 4 EStG, § 269 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 67 Nr. 6, § 97, § 255 Abs. 1 SGB VI, § 153 Abs. 1 VVG, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger war Zahnarzt und damit Pflichtmitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk. Er blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Streitjahr 2009 erhielt der Kläger von der DRV eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung gemäß § 269 Abs. 1 SGB VI. Zudem bezog er im Streitjahr drei sog. Rürup-Renten ebenso wie zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten.
Das FA versteuerte die gesetzliche Altersrente inklusive Höherversicherung mit einem Besteuerungsanteil von 58 %. Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das FA – obwohl der Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte – die sog. Öffnungsklausel an. Die sog. Rürup-Renten des Klägers besteuerte das FA mit dem Besteuerungsanteil und die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil. Die Klage hatte keinen Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 28.5.2018, 7 K 2456/14, Haufe-Index 13582130, EFG 2020, 191).
Entscheidung
Die Revision des Klägers war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.
Hinweis
In diesem Verfahren war nicht nur die unzulässige doppelte Besteuerung von Altersrenten streitgegenständlich, sondern es waren auch zahlreiche Einzelfragen der Besteuerung der Alterseinkünfte sowohl der ersten als auch der dritten Schicht zu beantworten.
In Bezug auf die konkreten Berechnungsparameter einer doppelten Besteuerung wird auf das Parallelurteil mit dem Az. X R 33/19 (BFH/PR 2021, 258) verwiesen.
1. Im Bereich der Basisversorgung hat der X. Senat bei der Anwendung der Öffnungsklausel, die es ermöglicht, einen bestimmten Teil der Altersrente nur mit dem Ertragsanteil zu versteuern, festgestellt, dass diese nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur angewendet werden kann, wenn der entsprechende Antrag vom Rentner gestellt wird. Ist das nicht der Fall, sind die gesamten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der berufsständischen Versorgungswerke mit dem Besteuerungsanteil zu besteuern.
2. Unabhängig von der Öffnungsklausel muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im konkreten Einzelfall ebenfalls noch geprüft werden, ob gegen das Verbot der doppelten Besteuerung verstoßen wird.
3. Da es aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls bereits an einer Rechtsverletzung der Kläger fehlte, bedurfte es keiner Entscheidung, ob es bei der doppelten Besteuerung ggf. eine Bagatellgrenze gibt. Ebenfalls war die Frage nicht zu beantworten, ob ein Steuerpflichtiger, der bewusst darauf verzichtet, ein gesetzliches Instrument zu beantragen, das der Vermeidung einer doppelten Besteuerung dient, insoweit überhaupt einer verfassungswidrigen Besteuerung ausgesetzt ist.
4. Bei der Berechnung der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen sind alle Beiträge der Basisversorgung gleichrangig als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Zur Basisversorgung gehören nicht nur die DRV und die berufsständischen Versorgungswerke, sondern auch sog. Rürup-Versicherungen.
5. In Bezug a...