Leitsatz
1. Die Rechtsprechung des BFH, nach der eine doppelte Haushaltsführung auch dann anerkannt werden kann, wenn Personen, die an verschiedenen Orten wohnen und dort arbeiten, nach der Eheschließung eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung machen, ist nicht in jedem Fall auf nichteheliche Lebensgemeinschaften zu übertragen.
2. Die Gründung eines doppelten Haushalts kann bei nicht verheirateten Personen beruflich veranlasst sein, wenn sie vor der Geburt eines gemeinsamen Kindes an verschiedenen Orten berufstätig sind, dort wohnen und im zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt des Kindes eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung machen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, Art. 6 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der ledige Kläger war seit 1988 als Physiker in H nichtselbstständig tätig. Er wohnt dort seitdem in einer gemieteten Wohnung. Seine Lebensgefährtin (L) wohnte in W und war dort nichtselbstständig tätig. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter im Oktober 1996 blieb L zunächst in W wohnen und nahm Erziehungsurlaub in Anspruch. Sie beabsichtigte, nach Beendigung des Erziehungsurlaubs in ihrem alten Beruf wieder tätig zu werden. Im Juli 1997 bezog sie zusammen mit ihrer Tochter eine Wohnung in B.
Im Streitjahr (1998) fuhr der Kläger, der L finanziell unterstützte, an den Wochenenden regelmäßig nach B. Im September 1998 eröffnete sich für L die Möglichkeit, ab Mai 1999 wieder für ihren früheren Arbeitgeber tätig zu werden. Der Kläger verlegte daraufhin im Oktober 1998 seinen Hauptwohnsitz von H nach B in die Wohnung der L. Seine Wohnung in H behielt er als Zweitwohnung bei.
In seiner ESt-Erklärung 1998 machte der Kläger für die Zeit vom 1.10. bis zum 31.12. Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 4.700 DM geltend. Dies lehnte das FA ab. Das FG gab der Klage teilweise statt.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Das FG habe zu Unrecht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG bejaht. Der Kläger habe den doppelten Haushalt nicht aus beruflichen Gründen begründet. Der Kläger und L hätten die Wohnung der L nicht anlässlich oder in zeitlichem Zusammenhang mit der Geburt des gemeinsamen Kindes zur Familienwohnung gemacht, sondern erst ca. zwei Jahre später.
Der Kläger könne damit nicht einem Steuerpflichtigen gleichgestellt werden, der bei Einrichtung des doppelten Haushalts bereits eine Familienwohnung mit Lebensgefährtin und Kind teilte. Dies wäre aber Voraussetzung für die vom Kläger gewünschte Übertragung der Ausnahme, die die Rechtsprechung in Fällen der Eheschließung gemacht hat, auf seine Situation.
Einer verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG (siehe o.a. Hinweise – Ziff. 4) bedürfe es nicht, wenn zwei Arbeitnehmer mit jeweils eigenem Hausstand heiraten, jeder Ehegatte nach der Eheschließung zunächst wie bisher in seiner Wohnung weiterlebe und erst später eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung gemacht werde. Die damit einhergehende Gründung des zweiten Haushalts außerhalb des Beschäftigungsorts sei privat veranlasst. Entsprechendes gelte, wenn – wie im Streitfall – die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die an verschiedenen Orten beruflich tätig sind und dort wohnen, ohne zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt eines gemeinsamen Kindes eine der Wohnungen zum Familienhausstand machten.
Auch hier sei die Begründung dieses Hausstands außerhalb des Beschäftigungsorts privat veranlasst.
Hinweis
1. Im Streitfall ging es darum, ob und unter welchen näheren Umständen Mehraufwendungen aufgrund einer doppelten Haushaltsführung bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steuerlich anerkannt werden können.
2. Der BFH legte in den Entscheidungsgründen zunächst die gesetzlichen Voraussetzungen bzw. seine ständige Rechtsprechung zur Frage der beruflichen Veranlassung bei einer doppelten Haushaltsführung dar.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dabei reicht es nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des BFH für den Werbungskostenabzug nicht aus, dass eine einheitliche Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte aufgesplittet ist.
Die gesetzlichen Voraussetzungen liegen nur vor, wenn die doppelte Haushaltsführung, d.h. die Einrichtung der zweiten Wohnung, aus beruflichem Anlass begründet wird. Es genügt also nicht, dass die Führung bzw. Beibehaltung des zweiten Haushalts (nur) beruflich veranlasst ist. Entscheidend sind vielmehr die im Einzelfall konkret erkennbaren privaten oder beruflichen Umstände, die zur Gründung des zweiten Haushalts geführt haben. Dabei geht die gesetzliche Regelung, die eine...