Leitsatz
Bei beiderseits berufstätigen Ehegatten sind die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung zeitlich unbeschränkt als Minderung finanzieller Leistungsfähigkeit steuerlich zu berücksichtigen. Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort des anderen Ehegatten unter Beibehaltung der ursprünglichen Familienwohnung als Erwerbswohnung ist unerheblich.
Normenkette
Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG
Sachverhalt
Die Kläger sind seit 1999 verheiratet. Bereits vor der Eheschließung bewohnte der verbeamtete Kläger eine Eigentumswohnung in A. Die ebenfalls nicht selbstständig tätige Klägerin nutzte ihrerseits seit 1993 ein Einfamilienhaus in B zu eigenen Wohnzwecken.
Nach der Eheschließung machte der Kläger für die Jahre 1999 bis 2001 Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit geltend. In den ESt-Erklärungen für die Streitjahre (2002 und 2003) machte nunmehr die Klägerin entsprechende Aufwendungen geltend. Sie hätten ab 2002 den Familienwohnsitz von B nach A verlegt.
Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin nicht. Das FG wies die Klage ab (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 26.10.2006, 5 K 29/06, Haufe-Index 1707142, EFG 2007, 757). Die berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung sei weggefallen.
Entscheidung
Die erfolgreiche Revision der Kläger führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Das FG habe keine ausreichenden Feststellungen zur beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung der Kläger getroffen. Das FG habe zunächst zu prüfen, ob die Kläger ursprünglich nach ihrer Heirat aus beruflichem Anlass eine doppelte Haushaltsführung begründet hätten, in der die Wohnung die Klägerin in B zum Familienwohnsitz bestimmt wurde und der Kläger am Ort seiner Beschäftigung in A wohnte. Für diesen Fall sei es unerheblich, wenn die Kläger den Familienwohnsitz später nach A verlegt hätten.
Sollten die Kläger erstmals im Streitjahr 2002 einen gemeinsamen Haushalt errichtet haben, und zwar am Beschäftigungsort des Klägers in A, stehe dies einer beruflichen Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung gleichfalls nicht entgegen.
Überdies seien nur die notwendigen Mehraufwendungen zu berücksichtigen (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 09.08.2007, VI R 10/06, BFH/NV 2007, 1996, BFH/PR 2007, 422).
Hinweis
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Begründung eines doppelten Haushalts auch dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn Ehegatten bereits vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten berufstätig waren, an ihren jeweiligen Beschäftigungsorten wohnten und nach der Eheschließung eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung gemacht haben (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 15.03.2007, VI R 31/05, BFH/NV 2007, 1236, BFH/PR 2007, 291). Maßgebend für diese Rechtsprechung ist, dass bei Heirat zweier Berufstätiger diese sich nicht mit einem einzigen Wohnsitz am Ort der Berufsausübung eines von ihnen begnügen können, ohne die Berufstätigkeit des anderen zu beeinträchtigen. Eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung liegt indessen nicht vor, wenn jeder Ehegatte nach der Eheschließung wie bisher in seiner Wohnung weiterlebt.
2. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH diese Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass eine doppelte Haushaltsführung bei Doppelverdiener-Ehegatten auch dann steuerlich anzuerkennen ist, wenn der gemeinsame (Haupt-)Hausstand vom Beschäftigungsort des einen Ehegatten zum Beschäftigungsort des anderen Ehegatten verlegt wird. Eine solche Verlegung des (Haupt-)Hausstands führt nicht zur Beendigung einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung.
Denn Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG gebietet, Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, soweit es sich um zwangsläufigen Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten handelt, der dadurch anfällt, dass ein gemeinsamer Wohnsitz bei dem Beschäftigungsort des einen Ehegatten besteht und zugleich die Unterhaltung eines weiteren Wohnsitzes durch die Berufstätigkeit des anderen Ehegatten an einem anderen Ort veranlasst ist (BVerfG, Beschluss vom 04.12.2002, 2 BvR 400/98 und 1735/00, BFH/NV Beilage 2003, 174, BFH/PR 2003, 249).
Werden bei beiderseits berufstätigen Ehegatten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung zwangsläufig zur Gewährleistung der Berufstätigkeit beider erbracht, so sind sie zeitlich unbeschränkt als Minderung finanzieller Leistungsfähigkeit steuerlich zu berücksichtigen. Dabei ist es unerheblich, ob der gemeinsame Wohnsitz der Ehegatten über die Jahre gleich bleibt oder verändert wird. Maßgeblich ist allein, dass die Unterhaltung eines weiteren Wohnsitzes durch die Berufstätigkeit des anderen Ehegatten an einem anderen Ort veranlasst ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.10.2008 – VI R 10/07