Dipl.-Finw. (FH) Wilhelm Krudewig, Jean Bramburger-Schwirkslies
Die Wirtschafts- und Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten haben sich am 5.12.2017 auf eine Reihe von Maßnahmen geeinigt, die das Mehrwertsteuersystem für Online-Unternehmen in der EU vereinfachen sollen. Das neue System soll es Verbrauchern und Unternehmen, insbesondere Start-ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), leichter machen, Waren grenzüberschreitend online zu verkaufen und zu kaufen. Dadurch soll auch den Mitgliedstaaten geholfen werden, die derzeit auf 5 Mrd. EUR jährlich veranschlagten Mehrwertsteuerverluste bei Online-Umsätzen zu verhindern.
Folgende Regelungen wurden getroffen und sind schrittweise bis 2021 in Kraft getreten:
- Vereinfachung der Mehrwertsteuerregelungen für Start-ups, Kleinstunternehmen und KMU, die Waren online an Kunden in anderen EU-Mitgliedstaaten verkaufen. Für Kleinstunternehmen richtet sich die Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von weniger als 10.000 EUR im Jahr nach den Vorschriften des Landes, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben. Für KMU werden einfachere Verfahren für grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von bis zu 100.000 EUR im Jahr gelten. Diese Maßnahmen sind bereits am 1.1.2019 in Kraft getreten.
- Alle Unternehmen, die online Waren an ihre Kunden verkaufen, können ihren EU-Mehrwertsteuerpflichten über ein einheitliches nutzerfreundliches Online-Portal in ihrer Landessprache nachkommen. Ohne das Portal wäre eine Mehrwertsteuerregistrierung in jedem EU-Mitgliedstaat erforderlich, in den das Unternehmen verkaufen möchte.
- Großen Online-Marktplätzen wird die Verantwortung dafür übertragen, dass die Mehrwertsteuer abgeführt wird, wenn Unternehmen in Drittländern Waren an Verbraucher in der EU verkaufen. Hierzu zählen Verkäufe von Waren, die von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern bereits in Warenlagern innerhalb der EU gelagert werden, welche häufig dem Zweck dienen, Waren mehrwertsteuerfrei an Verbraucher in der EU zu verkaufen.
- Es wird so künftig Steuerhinterziehungen vorgebeugt, bei denen für Waren von außerhalb der EU ein Wert von weniger als 22 EUR angegeben wurde, um eine Befreiung von der Mehrwertsteuer in Anspruch zu nehmen, was zu Marktverzerrung und unlauterem Wettbewerb führen konnte. Zuvor konnten Betrüger hochwertige Waren in kleinen Paketen verpacken und auf dem Etikett einen falschen Warenwert angeben, der unter dem Schwellenwert von 22 EUR lag, sodass die Waren von der Mehrwertsteuer befreit waren.
5.1 One-Stop-Shop: Anlaufstelle für Online-Verkäufe
Die einzige Anlaufstelle für Online-Verkäufe von Waren ist seit dem 1. Juli 2021 einsatzbereit. Die Regelung nennt sich One-Stop-Shop. Umsätze, die in den Anwendungsbereich der Sonderregelung fallen und nach dem 30.6.2021 erbracht werden, können von registrierten Unternehmen im Rahmen der Sonderregelung erstmals für den Besteuerungszeitraum 3. Quartal 2021 erklärt werden.
Die Sonderregelung One-Stop-Shop löst das Vorgängerverfahren Mini-One-Stop-Shop ab und bietet einen deutlich weiteren Anwendungsbereich. Das Verfahren richtet sich an Unternehmer, die im Inland ansässig sind und gegen Entgelt
- Dienstleistungen an Privatpersonen in Mitgliedstaaten der EU erbringen, in denen sie nicht ansässig sind oder
- innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Gegenständen tätigen oder
- eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung stellen, durch deren Nutzung sie die Lieferung von Gegenständen innerhalb eines Mitgliedstaats durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen unterstützen und deshalb behandelt werden als ob sie die Gegenstände selbst geliefert hätten.
Darüber hinaus richtet sich das Verfahren an Unternehmer, die nicht in der Europäischen Union ansässig sind und im Inland über eine Einrichtung (zum Beispiel ein Warenlager) verfügen, von der aus Waren an Privatpersonen in andere EU-Mitgliedstaaten geliefert werden.
5.2 Pflichten im Rahmen der One-Stop-Shop-Regelung
Mit der Teilnahme an den Sonderregelungen sind verschiedene Pflichten für den Unternehmer verbunden. Dies betrifft unter anderem
- die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen,
- die fristgerechte Zahlung der angemeldeten Steuern und
- die Änderung der Registrierungsdaten.
5.2.1 Abgabe von Steuererklärungen
Die Steuererklärungen, die über das One-Stop-Shop-Verfahren einzureichen sind, sind vierteljährlich elektronisch beim Bundeszentralamt für Steuern einzureichen. Die Abgabefristen enden wie folgt: 1. Quartal eines Jahres am 30. April, 2. Quartal eines Jahres am 31. Juli, 3. Quartal eines Jahres am 31. Oktober und 4. Quartal eines Jahres am 31. Januar des Folgejahres.
Nullmeldung abgeben
Selbst wenn in einem Quartal keine Umsätze erzielt wurden, ist eine Nullmeldung für das Quartal beim Bundeszentralamt für Steuern einzureichen.
5.2.2 Zahlung von Steuerbeträgen
Die Entrichtung der Steuerbeträge muss rechtzeitig erfolgen, dass heißt bis zum Ende des Monats, der auf den Ablauf des Besteuerungszeitraums (dem Kalendervierteljahr) folgt. Bis zu diesem Tag muss das Geld bei der zuständigen Bundeskasse eingegangen sein.
5.2.3 Ausnahmeregelung
Für die in den Anwendungsbereich der Sonderregelung One-Stop-Shop, EU-Regelung fallenden Umsätze gilt dieser Grundsatz:
Der Ort der Leistung bei Telekommunikations-, ...