Kommentar

Bei förmlicher Zustellung zusammengefaßter, mehrere Personen betreffender Einkommensteuerbescheide muß jedem Inhaltsadressaten eine Ausfertigung des Bescheids zugestellt werden.

 

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BFH, Urteil vom 08.06.1995, IV R 104/94

Anmerkung:

Der Rechtsstreit betraf ein zusammen zur Einkommensteuer veranlagtes Ehepaar, dem der Steuerbescheid durch förmliche Zustellung bekanntgegeben worden war. Das Finanzamt hatte eine förmliche Zustellung veranlaßt, weil das Ehepaar keine Steuererklärung abgegeben hatte und die Besteuerungsgrundlagen daher geschätzt werden mußten. Der Bescheid war in einfacher Ausfertigung an „Herrn und Frau Friedrich X und Anna X … ” adressiert und wurde nach einem vergeblichen Zustellungsversuch in der Wohnung der Eheleute bei der Postanstalt niedergelegt. Von dort ist die Sendung nicht abgefordert worden. Drei Jahre später berief sich das Ehepaar darauf, daß der Bescheid wegen mangelhafter Zustellung unwirksam sei.

Dieser Auffassung hat sich der BFH angeschlossen. Dabei ging er davon aus, daß im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer zusammengefaßte Einkommensteuerbescheide ergehen ( § 155 Abs. 3 AO ). Der BFH betont, daß es sich bei zusammengefaßten Bescheiden nicht um einen einheitlichen Verwaltungsakt , sondern um eine – aus Zweckmäßigkeitsgründen zusammengefaßte – Mehrheit von Bescheiden handelt. Sie können demgemäß nur in der weise förmlich zugestellt werden, daß jedem der Adressaten eine Ausfertigung des Bescheids übergeben wird ( § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG ). Die förmliche Zustellung nur einer Bescheidausfertigung würde lediglich dann genügen, wenn – z. B. aufgrund der gemeinsamen Unterschrift auf der Steuererklärung – anzunehmen ist, daß sich beide Ehegatten gegenseitig bevollmächtigt haben. Eine solche Bevollmächtigung war aber im Streitfall nicht in Betracht gekommen, da die Ehegatten keine Steuererklärung abgegeben hatten.

Etwas anderes gilt für den Fall, daß ein zusammengefaßter Einkommensteuerbescheid nicht durch förmliche Zustellung, sondern durch formlose Übersendung mit der Post bekanntgegeben wird ( § 122 AO ). In einem solchen Fall reicht es für die Bekanntgabe von Einkommensteuerbescheiden an Ehegatten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird ( § 155 Abs. 5 AO ).

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