Leitsatz
Die Änderung einer bestandskräftigen Ablehnung von Kindergeld ist nach § 70 Abs. 4 EStG nicht möglich, wenn bereits nach Ablauf des Kalenderjahres eine abschließende Überprüfung der Höhe der Einkünfte und Bezüge erfolgt ist.
Sachverhalt
Die volljährige Tochter des Klägers befand sich im Jahr 2004 in Ausbildung zur Bankkauffrau. Nach einer zu Beginn des Jahres 2005 erfolgten abschließenden Prüfung der Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Jahres 2004 hat die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für das Jahr 2004 aufgehoben. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 11. 1. 2005 hat der Kläger am 11. 7. 2005 erneut Kindergeld für das Jahr 2004 beantragt. Dieser Antrag wurde von der Familienkasse mit dem Hinweis auf die Bestandskraft des Aufhebungsbescheids abgelehnt.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG besteht die Änderungsbefugnis nach § 70 Abs. 4 EStG nicht nur dann, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt anders darstellt als im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung, sondern auch dann, wenn sich die rechtliche Beurteilung nach Ablauf des Kalenderjahres gegenüber der vorläufigen Beurteilung in der Prognoseentscheidung verändert. Deshalb ist § 70 Abs. 4 EStG grundsätzlich auch anwendbar, wenn die Familienkasse nach Ablauf des Kalenderjahres eine geänderte Rechtsauffassung bezüglich der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes vertritt. Dies gilt aber nur, soweit nach Ablauf des Kalenderjahres eine Prognoseentscheidung korrigiert werden soll. § 70 Abs. 4 EStG ist dagegen nicht anwendbar, wenn bereits nach Ablauf des Kalenderjahres und in Kenntnis des gesamten verwirklichten Sachverhaltes ein Aufhebungsbescheid erlassen, und dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO scheidet ebenfalls aus, da es an der Rechtserheblichkeit der neuen Tatsache mangelt. Auch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist nicht anwendbar, da die geänderte Rechtsprechung des BVerfG kein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Die weiteren Korrekturvorschriften des § 70 Abs. 2 EStG und § 70 Abs. 3 EStG sind nach Auffassung des FG ebenfalls nicht anwendbar.
Hinweis
Dieses Urteil, gegen das inzwischen Revision eingelegt wurde (III R 31/06) bestätigt die Rechtsauffassung des FG Düsseldorf vom 12. 1. 2006 - 14 K 4503/05 (Revision beim BFH: III R 13/06). Da die Tatsache, in welcher Höhe ein Kind Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat, den Familienkassen in der Regel erst nachträglich bekannt geworden ist, stehen die Chancen, dass der BFH eine andere Rechtsauffassung vertritt, nicht schlecht. Betroffene Eltern sollten daher gegen die ablehnenden Bescheide der Familienkasse Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 21.03.2006, 13 K 398/05