Leitsatz
1. Ob die Voraussetzungen einer selbstständigen Bewirtschaftung für die Milcherzeugung gepachteter Produktionseinheiten vorliegen, ist aufgrund einer Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse zu entscheiden, wobei die Gegebenheiten im Einzelfall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind.
Sind die Verhältnisse überwiegend durch Umstände geprägt, die für eine selbstständige Bewirtschaftung von Produktionsmitteln typisch sind, kann dies rechtfertigen, den Betreffenden als Milcherzeuger anzusehen, auch wenn andere Merkmale der selbstständigen Bewirtschaftung des Milcherzeugungsbetriebs fehlen.
2. Wer sich darauf beruft, trotz äußerlich unveränderter tatsächlicher Verhältnisse sei die Milcherzeugereigenschaft von ihm auf einen Dritten infolge mit diesem abgeschlossener Verträge übergegangen, muss Existenz und Inhalt dieser Verträge nachweisen.
3. Es ist zweifelhaft, ob ein Landwirt als Milcherzeuger angesehen werden kann, der von einem Milcherzeuger dessen Stall und Herde kurzzeitig pachtet und es diesem überlässt, die Milchwirtschaft wie in der neben der Pachtzeit verbleibenden Zeit des Milchwirtschaftsjahrs nach seinem Bewirtschaftungskonzept fortzusetzen, ohne dass das wirtschaftliche Risiko der Milcherzeugung auf jenen Landwirt übergegangen ist.
Normenkette
Art. 9 Buchst. c VO Nr. 3950/92, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Ein Milcherzeuger verpachtete an zwei Landwirte für jeweils wenige Monate der folgenden sieben Jahre seinen Boxenlaufstall mit ca. 140 Kuhplätzen einschließlich Melk- und Fütterungstechnik. Er verrichtete allerdings nach wie vor selbst alle Arbeiten auf seinem (verpachteten) Hof, behauptet jedoch, mit den Pächtern einen Geschäftsbesorgungsvertrag hierüber geschlossen zu haben, welchen er jedoch weder der Verwaltung noch dem FG vorlegte, obwohl er dazu mehrfach aufgefordert wurde, und über dessen Inhalt er auch nichts Näheres vortrug. Beide Pächter-Landwirte betreiben auf ihrem eigenen Hof, der von dem gepachteten Hof weit mehr als 100 Kilometer entfernt liegt, keine Milchwirtschaft. Sie sind jedoch Inhaber einer ungenutzten Milchreferenzmenge. Das HZA hat indes die in den Pachtzeiten erwirtschafteten Milchmengen nicht den Pächtern, sondern dem Verpächter zugerechnet und dementsprechend Milchabgaben gegen diesen festgesetzt, weil dessen betriebliche Referenzmenge überschritten worden war.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG urteilte, die wirksam mit den Pächtern abgeschlossenen Verträge „sprächen dafür”, dass das wirtschaftliche Risiko der Milchwirtschaft von den Pächtern zu tragen gewesen sei. Ein Geschäftsbesorgungsvertrag sei zwar trotz Ankündigung nicht vorgelegt worden, dies schließe aber nicht aus, dass er gleichwohl bestehe oder zumindest mündlich geschlossen worden sei.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil es eine mangelhafte Sachaufklärung darstellt und rechtlich nicht angeht, jemanden als Milcherzeuger anzuerkennen, dem durch ein bestimmtes Vertragswerk die Milcherzeugung in einem bestimmten Betrieb zeitweise übertragen worden sein soll, ohne dass dieses Vertragswerk vollständig vorgelegt wird oder zumindest über seinen genauen Inhalt glaubhaft Auskunft gegeben wird. Der BFH hat kein Hindernis für eine Zurückverweisung der Sache an das FG (welche ja dem Kläger die Chance eröffnet, das nachzuholen, was er bereits im ersten Rechtsgang hätte tun sollen), darin gesehen, dass der Kläger bereits im ersten Rechtsgang zu einer solchen Vorlage des angeblichen Geschäftsbesorgungsvertrags mehrfach nachdrücklich von der Verwaltung wie vom FG aufgefordert worden war! Wenn das nicht bürgerfreundlich ist ...
Hinweis
1. Erzeuger ist, wer einen landwirtschaftlichen Betrieb selbstständig bewirtschaftet; er braucht also nicht Eigentümer der Anlagen zu sein, die er für die Produktion nutzt, sondern kann diese auch -- ganz oder teilweise, dauerhaft oder vorübergehend -- pachten. Das ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung seit langem geklärt, erfordert aber im Einzelfall umfangreiche Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse in dem Betrieb und eine schwierige Abgrenzung zwischen einer selbstständigen Bewirtschaftung desselben und einer unselbstständigen Tätigkeit, wie sie z.B. ein Stallknecht, aber etwa auch ein Gutsverwalter ausübt.
2. Die Eigentümlichkeiten der Anwendung des Begriffs der Selbstständigkeit sind insbesondere aus dem LSt-Recht geläufig. Kein Merkmal ist für Selbstständigkeit unverzichtbar oder umgekehrt für sich allein hinreichend; vielmehr ist ein ganzer Strauß von Merkmalen zusammenfassend zu berücksichtigen, von denen einige weniger stark und klar ausgeprägt sein oder sogar ganz fehlen können, wenn andere dem Sachverhalt umso mehr das Gepräge einer selbstständigen Tätigkeit geben. Für den Begriff der Milcherzeugerstellung (die der BFH etwas schief eine „Eigenschaft” [des Landwirts nennt) gilt das Gleiche.
3. Trotz der Erkenntnis dieser besonderen Struktur des Begriffs selbstständige Milcherzeugung l...