LfSt Bayern v. 31.1.2014, S 2175.2.1 - 20/4 St 32

Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 11.10.2012, I R 66/11 (BStBl 2013 II S. 676)

Der BFH hat mit o.g. Urteil entschieden, dass Finanzierungskosten bei der Bemessung der Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen als notwendiger Teil der Gemeinkosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG auch dann zu berücksichtigen sind, wenn die Finanzierung i. R. e. sog. Poolfinanzierung erfolgt ist.

Von einer Poolfinanzierung spricht man, wenn ein Steuerpflichtiger seine gesamten liquiden Eigen- und Fremdmittel in einen „Pool” gibt und daraus sämtliche Aufwendungen seines Geschäftsbetriebs finanziert.

Im zu Grunde liegenden Urteil war Aufbewahrungspflichtiger ein Kreditinstitut. Die Grundsätze des Urteils sind jedoch auch bei anderen Steuerpflichtigen anzuwenden.

 

1. Ansatz in der Steuerbilanz

 

1.1 Poolfinanzierung

Bereits die ursprüngliche Anschaffung bzw. Herstellung der Archivräume muss poolfinanziert gewesen sein. Sind die Gebäude oder die Gebäudeteile (in denen sich die Aufbewahrungsräume befinden) durch unmittelbar zuzuordnende Einzelkredite finanziert worden, scheidet insoweit ein Ansatz von Poolfinanzierungskosten aus. In einem solchen Fall sind die Zinsen aus dem Einzelkredit direkt den Archivräumen zuzuordnen (z.B. nach Nutzflächenanteil).

Der Aufbewahrungspflichtige hat in geeigneter Weise glaubhaft zu versichern, dass die ursprüngliche Anschaffung bzw. Herstellung der Aufbewahrungsräume i. R. e. Pools finanziert wurde und diesbezüglich keine Einzelkreditaufnahme erfolgt ist.

 

1.2 Verursachungsgerechte Kostenschlüsselung

Voraussetzung für die Berücksichtigung von Finanzierungsaufwendungen als Gemeinkosten ist, dass die Zuordnung auf einer kaufmännisch vernünftigen, d.h. angemessenen und verursachungsgerechten Schlüsselung der Finanzierungskosten beruht. Bei einer

Poolfinanzierung werden Eigen- und Fremdkapital untrennbar vermischt, so dass Kreditmittel nicht einer bestimmten Ausgabe konkret und unmittelbar zuordenbar sind. Aus diesen Gründen ist eine sachgerechte Schätzung erforderlich.

Es wird von der Annahme ausgegangen, dass eine kongruente Finanzierung der Aktiva vorliegt, d.h. der Zinsaufwand entfällt anteilig nach den Buchwerten auf die einzelnen Aktivposten (sog. Gleichverteilungshypothese).

Nach Ansicht des BFH besteht die Vermutung, dass der Zinsaufwand den für Archivierungszwecke genutzten Räumen nach der Fremdkapitalquote des Finanzierungspools zum Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung zuzurechnen ist.

Die Fremdkapitalquote des Finanzierungspools des Aufbewahrungspflichtigen im Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung der Archivräume ist zu ermitteln. Eine reine Schätzung der Quote zum Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung aufgrund der derzeitigen Quote ist nicht ausreichend. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn der Aufbewahrungspflichtige durch geeignete Berechnungen die ursprüngliche Quote aus der derzeitigen Quote ableitet (z.B. Verlauf der Fremdkapitalquote in den letzten Jahren in der Branche o.ä.).

Ein weiteres zentrales Merkmal der Berechnung des Finanzierungskostenanteils ist der sog. durchschnittliche Passivzinssatz (vgl. 1.6 Beispiel zur Berechnung des Finanzierungskostenanteils). Der Zinssatz ermittelt sich als Quotient aus den tatsächlich gezahlten Zinsen und dem Fremdkapital (tatsächlich gezahlte Zinsen : Fremdkapital).

 

1.3 Höhe des Fremdkapitalanteils in den Wirtschaftsjahren nach Anschaffung/Herstellung

Es ist zu überprüfen, ob der Fremdkapitalanteil des Finanzierungspools in den Jahren nach der Anschaffung/Herstellung der Archivräume unter den bei der ursprünglichen Anschaffung/Herstellung bestehenden Anteil gesunken ist. Sollte dies der Fall sein, so ist nach Ansicht des BFH davon auszugehen, dass die auf die Archivräume rechnerisch entfallenden Refinanzierungsschulden anteilig durch einen höheren Einsatz von Eigenkapital getilgt worden sind. Bei diesem niedrigeren Ansatz verbleibt es dann auch, wenn der Fremdkapitalanteil in nachfolgenden Jahren wieder ansteigt (vgl. BFH a.a.O. Rz 30).

Der Verlauf der Fremdkapitalquote ist durch geeignete Maßnahmen nachzuweisen. Kreditinstitute sind beispielsweise verpflichtet, jährlich ihre Fremdkapitalquote an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu melden. Die Meldung kann als geeigneter Nachweis für den Verlauf der Fremdkapitalquote herangezogen werden.

Der durchschnittliche Passivzinssatz hingegen kann sich in den Wirtschaftsjahren nach der Anschaffung/Herstellung verändern, d.h. er ist nicht auf die Höhe im Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung begrenzt.

 

1.4 Minderung der Rückstellung in den Wirtschaftsjahren nach Anschaffung/Herstellung

Der BFH sieht es als sachgerechte Schätzung an, dass die auf die Archivräume entfallenden Zinsaufwendungen durch den (abschreibungsbedingten) Rückgang der Gebäudebuchwerte gemindert werden. Dies ist ein Ausfluss der kaufmännischen Schätzung, dass die den Aufbewahrungsräumen zugeordneten Kredite, ausgerichtet an der Nutzungsdau...

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