Leitsatz
Bringt eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb nach § 24 UmwStG in eine GmbH & Co. KG ein und beschränkt sich ihre Tätigkeit fortan auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung an der aufnehmenden Gesellschaft sowie das Halten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH, steht § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG der Annahme von Unternehmensidentität i.S. des § 10a GewStG auf der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft nicht entgegen.
Normenkette
§ 10a GewStG
Sachverhalt
Gesellschafter der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, sind die in den USA ansässige G-LLC, eine einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbare Gesellschaft, als alleinige Kommanditistin und die G-GmbH als an der Klägerin vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementärin. Alleingesellschafterin der G-GmbH ist ebenfalls die G-LLC. Im Streitjahr 2011 brachte die G-LLC ihre im Handelsregister eingetragene deutsche Betriebsstätte in die Klägerin ein, die den Betrieb der Betriebsstätte vollumfänglich fortführte. Das FA setzte für die Klägerin für 2011 einen GewSt-Messbetrag fest und berücksichtigte dabei den für die Betriebsstätte festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2010 nicht, da keine Unternehmensidentität gegeben sei. Das FG (FG Köln, Urteil vom 27.10.2021, 3 K 2815/16, Haufe-Index 15127389) gab der Klage statt und setzte den GewSt-Messbetrag auf 0 EUR fest.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA aus den sich aus den Praxis-Hinweisen ergebenden Gründen zurück. Da § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG einer Verrechnung des Gewerbeverlustes der G-LLC mit dem Gewerbeertrag der Klägerin schon aus anderen Gründen nicht entgegenstehe, konnte dahinstehen, ob sich das gleiche Ergebnis auch daraus ergeben könnte, dass die G-LLC nach der Einbringung in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht über keine inländische Betriebsstätte mehr verfügt hat.
Hinweis
1. Da das Umwandlungssteuerrecht den "Übergang" vortragsfähiger Gewerbeverluste nach § 10a GewStG nicht regelt, aber auch nicht ausschließt, bleibt es insoweit bei den allgemeinen Grundsätzen. Handelt es sich bei der Gesellschaft, die den Gewerbeverlust geltend macht, um eine Personengesellschaft, kommt es darauf an, ob Unternehmensidentität und Unternehmeridentität gegeben sind.
2. Unternehmensidentität bedeutet, dass der im Kürzungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch sein muss mit dem Gewerbebetrieb, der im Verlustentstehungsjahr bestanden hat. Bei einer Personengesellschaft ist darauf abzustellen, ob die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung die gleiche geblieben ist. Bei einer Kapitalgesellschaft stellt sich das Problem der Unternehmensidentität grundsätzlich nicht, weil deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt; eine Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft berührt die Unternehmensidentität daher nicht.
3. Überträgt eine AG ihr operatives Geschäft auf eine KG, so geht nach Ansicht des III. Senats (BFH, Urteil vom 17.2.1019, III R 35/17, BFH/NV 2019, 877) ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag der AG nicht auf die KG über. Denn der Rechtsträger, bei dem der Gewerbeverlust entstanden sei (AG), habe auch nach der Ausgliederung noch existiert, und der vor der Übertragung bestehende Betrieb der AG sei aufgrund der Gewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG identisch mit dem nach der Übertragung noch vorhandenen Betrieb. Dies gilt nach Ansicht des III. Senats jedenfalls dann, wenn sich die AG fortan nicht nur auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung bei der KG beschränkt.
4. Nach Ansicht des IV. Senats kommt in dem vom III. Senat offengelassenen Fall, d.h. wenn sich die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft nach Einbringung ihres Betriebs in eine Personengesellschaft auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung an der auf-nehmenden Gesellschaft sowie das Halten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH beschränkt, eine Verlustnutzung in Betracht. Die Rechtsprechung, der zufolge der Abzug des Gewerbeverlustes bei Kapitalgesellschaften keine Unternehmensidentität voraussetzt, betrifft nur die Fälle, in denen die Kapitalgesellschaft nach Änderung der tatsächlichen Verhältnisse noch eine (geänderte) Tätigkeit entfaltet, nicht aber den Fall, dass sie keine (relevante) Tätigkeit mehr entfaltet.
5. Die Verwaltung der Mitunternehmeranteile, die die Kapitalgesellschaft durch die Einbringung ihres Betriebs in die Personengesellschaft erworben hat, stellt – bezogen auf das Merkmal der Unternehmensidentität – keine in diesem Sinne relevante Tätigkeit dar.
6. In dem Umfang, in dem auch Unternehmeridentität gegeben ist, kann daher eine Personengesellschaft, in die eine Kapitalgesellschaft ihren Betrieb eingebracht hat, den Verlustabzug der Kapitalgesellschaft nutzen, wenn diese sich fortan auf die Verwaltung ihrer Mitunternehmerstellung bei der Personengesellschaft beschränkt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.2.2024 – IV R 26/21