Leitsatz
1. Eine Verkaufsstelle (§ 12 Satz 2 Nr. 6 AO) ist nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie eine i.S.d. § 12 Satz 1 AO feste Geschäftseinrichtung oder Anlage ist.
2. Ein Verkaufsstand, den ein Unternehmen einmal im Jahr vier Wochen lang auf einem Weihnachtsmarkt unterhält, begründet keine Betriebsstätte.
Normenkette
§ 12 AO
Sachverhalt
Die T-GmbH, deren Geschäftsleitung sich u.a. in der Gemeinde L befand, unterhielt in den Streitjahren auf dem Weihnachtsmarkt des Klägers (= der Stadt H) einen Verkaufsstand. Der Markt fand jährlich in der Zeit von Totensonntag bis Heiligabend statt und dauerte daher jeweils nur etwa vier Wochen pro Jahr.
Das FA vertrat die Auffassung, der Verkaufsstand sei keine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO. Deshalb seien die für den Gewerbebetrieb der T-GmbH festgesetzten oder noch festzusetzenden Gewerbesteuermessbeträge nicht gem. § 28 Abs. 1 GewStG zu zerlegen. Er lehnte Zerlegungsanträge des Klägers ab. Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos (EFG 2002, 485).
Entscheidung
Auch der BFH lehnte die Existenz einer Betriebsstätte ab. Es mangele an der erforderlichen "Festigkeit" der Verkaufsstelle. Vier Wochen seien zu wenig, um den Erfordernissen des § 12 AO zu genügen.
Hinweis
1.§ 12 Satz 1 AO enthält eine klare Definition der Betriebsstätte. Es ist dies eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. § 12 Satz 2 AO enthält dazu (allerdings nicht abschließende) Beispielsfälle. Trotz dieser regulativen Vorgaben entzündet sich immer wieder Streit darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen eine Betriebsstätte unterhält.
2. Das betrifft, wie sich am Urteilsfall zeigt, vor allem auch Verkaufsstellen, die nach § 12 Satz 2 Nr. 6 AO ausdrücklich als Betriebsstätten verstanden werden. Nun lässt sich eine solche Verkaufsstelle weit oder eng verstehen. Theoretisch könnte dies jeder denkbare Anknüpfungspunkt sein, an dem ein Unternehmen tätig wird, z.B. beim Besuch eines Kunden oder auch dort, wo sich irgendwelche Waren befinden. Das aber könnte zu Ausuferungen führen, denen das Gesetz durch die in § 12 Satz 1 AO gesetzten Zuordnungskriterien ersichtlich entgegenwirken will.
Es reicht deswegen nicht aus, dass ein Unternehmen an einem Ort eine Verkaufstätigkeit ausübt. Hinzukommen muss vielmehr vor allem eine "feste" örtliche und zeitliche Orientierung. Die Verkaufsstelle darf nicht nur eine vorübergehende, sie sollte von gewisser Dauer sein. Sie muss überdies der nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht des Unternehmens unterliegen.
3. Der BFH hebt dieses Regelungsverständnis hervor und verprobt es sodann auf Einzelfälle: Ein Verkaufsstand auf einem Wochenmarkt erfüllt danach die Betriebsstättenerfordernisse, auch ein Saisonbetrieb wie z.B. eine Eisdiele oder ein Skigeschäft.
Abweichend hiervon wird jedoch ein Verkaufsstand auf einem Weihnachtsmarkt eingeschätzt, der wiederkehrend einmal jährlich zur Weihnachtszeit für etwa 4 Wochen in einer Gemeinde aufgebaut wird. Der ausschlaggebende Unterschied wird offenbar in der zeitlichen Komponente gesehen: Der Wochenmarktbeschicker positioniert seinen Stand (häufig bloß ein entsprechend ausgestattetes Fahrzeug) zwar nur für wenige Stunden (i.d.R. vormittags) auf dem Markt, das aber an etlichen Wochen im Jahr. Der Weihnachtsmarktbeschicker macht eigentlich dasselbe (und dies oftmals – und so auch im Urteilsfall – nicht nur in einem "Stand", sondern in einer mehr oder weniger festen Behausung und ganztägig), dies aber nicht wiederholend, sondern kumuliert" während eines Monats, des Dezembers.
Weswegen der eine Betriebsstätte begründet, der andere aber nicht, will bei natürlicher Betrachtung einigermaßen schwer einleuchten. Insofern bleibt für vergleichbare oder ähnliche Einzelfälle vermutlich einiger Argumentationsspielraum – aber eben auch beträchtliche Rechtsungewissheit.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.9.2003, I R 12/02