Leitsatz
1. Eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung, die gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu Herstellungskosten führt, ist gegeben, wenn drei der vier für den Gebrauchswert eines Wohngebäudes wesentlichen Bereiche (Heizungs-, Sanitär-, Elektroinstallationen und Fenster) von einem ursprünglich sehr einfachen auf einen nunmehr mittleren oder von einem ursprünglich mittleren auf einen nunmehr sehr anspruchsvollen Standard gehoben worden sind (z.B. durch deutliche Erweiterung, Ergänzung oder Komfortsteigerung; durch Ersatz einer technisch überholten Heizungsanlage; Erweiterung der Leitungskapazität bei Modernisierung der Elektroanlagen; Ersetzung einfach verglaster Fenster durch Isolierglasfenster; vgl. BFH, Urteil vom 16.7.1996, IX R 34/94, BStBl II 1996, 649). Dabei sind für die Prüfung, ob die Installationen und die Fenster im ursprünglichen Zustand als "sehr einfach", "mittel" oder "sehr anspruchsvoll" anzusehen waren, die Maßstäbe zugrunde zu legen, die zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gebäude im ursprünglichen Zustand befand, allgemein üblich waren.
2. "Ursprünglicher Zustand" i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB ist bei Erwerb eines Wohngebäudes durch Schenkung oder Erbfall der Zustand zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung durch den Schenker/Erblasser.
Normenkette
§ 7 EStG , § 9 Abs. 1 EStG , § 21 Abs. 1 EStG , § 255 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin bekam 1991 von ihrer Mutter ein Grundstück geschenkt, das 1919 mit einem Wohnhaus bebaut und seitdem – nach Angabe der Kläger – wiederholt durch Gesamtrechtsnachfolge oder Schenkung innerhalb der Familie weitergegeben worden war. Seit dem Tod der letzten Bewohnerin (1987) stand das Gebäude leer.
Die Klägerin ließ an dem Gebäude, das sie anschließend vermietete, folgende Umbau-, Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten durchführen: Einrichten des Badezimmers in dem bisher als Küche genutzten Raum des Erdgeschosses, Neubau eines WC-Raums im Dachgeschoss, Einbau einer Terrassentür im Wohn-/Essraum, Abbruch der Trennwand zwischen Wohnraum und Essplatz, Errichtung einer Dachgaube in Verbindung mit einer Überdachung der Haustür, Trockenlegen der Kellerwände, teilweiser Abbruch von Kellerböden und Kellerdecken, Ausgrabungen für Ver- und Entsorgungsleitungen, erstmaliger Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung (zuvor Brunnen), Anschluss an die Gasversorgung, Einbau einer Gasheizung (zuvor Ofenheizung), Zimmerarbeiten mit Treppenreparatur und Kellertüren, Dacheindeckung mit Kamineinsatz aus Edelstahl, komplette Erneuerung der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallation sowie der Schmutzwasserleitungen, teilweise Erneuerung der Fenster, Innenbänke und Außentüren, Holzwurmbekämpfung, Fliesen- und Malerarbeiten.
Ein Viertel der Aufwendungen machte die Klägerin gem. § 82b EStDV als Werbungskosten des Streitjahrs (1992) geltend. FA und FG berücksichtigten die Aufwendungen hingegen als Herstellungskosten.
Entscheidung
1. Nach Auffassung des BFH ist nur der Ausbau der Dauchgaube für sich allein als Erweiterung und damit als Herstellungsaufwand i.S.d. § 255 HGB anzusehen (BFH, Urteil vom 13.10.1998, IX R 80/95, BFH/NV 1999, 605). Die weiteren Aufwendungen – wie insbesondere für den Anschluss des Grundstücks an die öffentliche Frischwasser- und Gasversorgung – kämen in ihrer Gesamtheit nur dann als Herstellungskosten in Betracht, wenn sie insgesamt zu einer Steigerung des Gebrauchswerts des Hauses führten. Denn die Baumaßnahmen zur Schaffung des Wasser- und Gasanschlusses betrafen nicht die Neuherstellung des Gebäudes, weil das bereits hergestellte Wohnhaus seit 1919 durch einen eigenen Brunnen mit Frischwasser versorgt worden und mit einer Ofenheizung ausgestattet gewesen sei.
2. Der für die Feststellung einer Gebrauchswertsteigerung maßgebliche ursprüngliche Zustand i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sei dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der Herstellung oder des Erwerbs. Soweit die ursprünglichen Herstellungskosten (oder im Fall des Erwerbs die Anschaffungskosten) vor den Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen bereits verändert worden seien (durch anderweitige nachträgliche Herstellungs- oder Anschaffungskosten oder AfaA), sei der für die geänderte AfA-Bemessungsgrundlage maßgebende Zustand mit dem nunmehr durch die ausgeführten Arbeiten erreichten Zustand zu vergleichen.
Im Fall des unentgeltlichen Erwerbs sei ursprünglicher Zustand i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB grundsätzlich der Zustand des Gebäudes zu dem Zeitpunkt, in dem der Erblasser oder Schenker es in sein Vermögen aufgenommen habe. Denn im Fall der Gesamtrechtsnachfolge wie auch der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge trete der Rechtsnachfolger materiell-rechtlich in die steuerrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers ein, soweit nicht persönliche Eigenschaften oder persönliche Umstände zu beurteilen seien (BFH, Urteil vom 22.9.1993, X R 107/91, BStBl II 1993, 874, m.w.N.; a.A. das nunmehr aufgegebene BFH-Urteil vom 9.5.1995, IX R 5/93, BStBl II 1996, 588).
Hinweis
Ob Au...