Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Unternehmer U betreibt in Hamburg den Handel mit Medizintechnik. Insbesondere stattet er Arztpraxen mit medizinischen Geräten aus. Im März 2022 hatte er an eine orthopädische Praxis ein neues digitales Röntgengerät verkauft. Wegen Erweiterung der Praxis war der Orthopäde im August 2023 an U mit der Bitte herangetreten, ein neues, leistungsstärkeres Gerät zu liefern und das 2022 gelieferte Gerät auf den Kaufpreis anzurechnen. Entsprechend den Absprachen lieferte U im September 2023 das neue Gerät und nahm das alte Gerät mit. Die Rechnung erstellte er wie folgt:
Lieferung digitales Röntgensystem – komplett |
150.000 EUR |
Aufbau, Anschluss und Einweisung |
5.000 EUR |
Zwischensumme |
155.000 EUR |
zzgl. 19 % Umsatzsteuer |
29.450 EUR |
Gesamtbetrag |
184.450 EUR |
abzgl. Anrechnungsbetrag für Altgerät |
30.000 EUR |
Restzahlung |
154.450 EUR |
Im Oktober 2023 gelingt es U, das Altgerät für 33.000 EUR an einen anderen Arzt zu verkaufen.
2.2 Fragestellung
U möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich aus diesen Geschäften ergeben.
2.3 Lösung
U ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist, er wird im Rahmen seines Unternehmens tätig. Mit dem Verkauf des neuen Röntgengeräts führt er eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG aus, da er dem Kunden die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft. Die Lieferung wird im Rahmen eines Tauschs mit Baraufgabe nach § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG ausgeführt, da die Gegenleistung teilweise in einer Lieferung besteht. Der Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG im Inland, wo die Beförderung des Gegenstands an den Kunden beginnt. Die Lieferung ist damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar.
Bearbeitung des Gegenstands am Bestimmungsort schließt Beförderungslieferung aus
Die Bestimmung des Orts der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG setzt voraus, dass das Gerät beim Lieferer schon in der vertraglich geschuldeten Form vorhanden war und nicht erstmalig so beim Kunden zusammengesetzt worden ist. Wird der Gegenstand beim Leistungsempfänger noch wesensverändernd be- oder verarbeitet, kann keine Beförderungslieferung vorliegen. Alleine aber das Zerlegen des Gegenstands zum Zweck des besseren Transports führt nicht zur Annahme einer ruhenden Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG.
Der Verkauf des neuen Röntgengeräts ist auch steuerpflichtig. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach § 10 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 UStG aus der erhaltenen Baraufgabe und dem Anrechnungswert des in Zahlung genommenen Altgeräts. Aus der Summe (154.450 EUR + 30.000 EUR = 184.450 EUR) ist die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von 19 % herauszurechnen. Damit entsteht im September 2023 auf einer Bemessungsgrundlage von 155.000 EUR eine Umsatzsteuer i. H. v. 29.450 EUR.
Wertermittlung beim Tausch hängt auch von individuellen Voraussetzungen ab
Zu beachten ist, dass bei einem Tausch nicht zwingend der Anrechnungswert des in Zahlung genommenen Gegenstands anzusetzen ist. Hat der Leistungsempfänger für die von ihm erbrachte Gegenleistung konkrete Aufwendungen getätigt, gelten diese Aufwendungen als Gegenleistung.
Hat der Leistungsempfänger keine konkreten Aufwendungen für seine Gegenleistung getätigt, ist das Entgelt für die Leistung nach § 162 AO sachgerecht zu schätzen. Dabei ist der subjektive Wert des in Zahlung genommenen Gegenstands maßgeblich. Die Finanzverwaltung hatte die früher regelmäßig im Gebrauchtfahrzeughandel übliche Ermittlung eines sog. "verdeckten Preisnachlasses" nach der Rechtsprechung des BFH aufgegeben, allerdings bis Ende 2021 nicht beanstandet, wenn die Berechnung der Bemessungsgrundlage noch unter Berücksichtigung eines verdeckten Preisnachlasses erfolgte.
Der Orthopäde führt mit der Inzahlunggabe des gebrauchten Röntgengeräts ebenfalls eine Lieferung im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt aus. Die Lieferung wird auch im Rahmen eines Tauschs mit Baraufgabe ausgeführt, da die Gegenleistung in einer Lieferung (hier des Neugeräts) besteht.
Steuerbarkeit auch bei Hilfsgeschäften
Der Orthopäde handelt zwar nicht mit Geräten, es liegt aber ein sog. Hilfsgeschäft vor. Ein Hilfsgeschäft fällt unabhängig von der Nachhaltigkeit immer in den Rahmen des Unternehmens.
Die Lieferung des Altgeräts ist im Inland ausgeführt und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Da der Orthopäde das Gerät annahmegemäß ausschließlich für steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende ärztliche Zwecke nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG verwendet hat, ist der Verkauf des Geräts steuerfrei nach § 4 Nr. 28 UStG. Die Bemessungsgrundlage für den steuerfreien Verkauf des Altgeräts beträgt 30.000 EUR.
Der Verkauf des gebrauchten Röntgengeräts durch U an den anderen Arzt ist ebenfalls eine im Inland ausgeführte Lieferung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist. Der Verkauf des Geräts unterliegt keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG. Da bei der Inzahlungnahme des Geräts eine Umsatzsteuer von dem liefernden Unternehmer nicht g...