Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn der Erwerber spätestens bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei ist. Dies kann sich aus
- einer bestimmten zeitlichen Abfolge der Verträge oder
- einem faktischen Zwang.
ergeben. Ferner kann ein objektiv sachlicher Zusammenhang vorliegen, wenn ein vorbereiteter Geschehensablauf hingenommen wird.
2.2.1 Zeitliche Abfolge der Verträge
Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Kaufvertrag über das Grundstück und dem Vertrag über die Gebäudeerrichtung liegt u. a. in folgenden Fällen vor:
- Der Erwerber hat sich bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags oder zeitgleich durch den Abschluss eines Gebäudeerrichtungsvertrags an die Bebauung des Grundstücks durch die Veräußererseite gebunden. Ein befristetes freies Rücktrittsrecht des Grundstückserwerbers vom Grundstückskaufvertrag schließt den engen sachlichen Zusammenhang dann nicht aus, wenn von diesem Rücktrittsrecht kein Gebrauch gemacht wird. Der Grundstückserwerber nimmt das ihm unterbreitete einheitliche Angebot auf Abschluss von Grundstückskaufvertrag und Gebäudeerrichtungsvertrag dadurch als einheitliches an, dass er von dem ihm vertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht tatsächlich keinen Gebrauch macht.
- Der Erwerber hat einen mit dem Veräußerer vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags geschlossenen Bauvertrag gekündigt und nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags erneut mit dem Veräußerer einen seinem Inhalt nach unveränderten Bauvertrag abgeschlossen. Hier ist anzunehmen, dass das Angebot in tatsächlicher Hinsicht nach wie vor bestanden hat und das Grundstück im Zustand der späteren Bebauung Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Eine rechtliche Wirksamkeit des Angebots ist insoweit nicht erforderlich.
Zeitliches Moment bei Vorliegen besonderer Umstände vernachlässigbar
Die Annahme des Angebots durch den Erwerber des Grundstücks muss zwar regelmäßig im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags erklärt werden. Aufgrund besonderer Umstände kann ein einheitlicher Erwerbsgegenstand jedoch auch dann vorliegen, wenn der Erwerber das Angebot erst längere Zeit nach Abschluss des Kaufvertrags unverändert oder mit unwesentlichen Änderungen angenommen hat, so etwa, wenn das mit einem zu sanierenden Gebäude bebaute Grundstück beim Abschluss des Kaufvertrags noch für längere Zeit an einen Dritten vermietet war und daher mit der Sanierung erst nach Beendigung des Mietvertrags begonnen werden konnte.
Änderung der Steuerfestsetzung
Der Abschluss des Bauvertrags, der nach der Grunderwerbsteuerfestsetzung (grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage: Gegenleistung für das unbebaute Grundstück) erfolgt, stellt ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, welches die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer dahingehend verändert, dass zu den Kosten des Grundstückserwerbs nunmehr auch die Baukosten hinzutreten. In diesen Fällen wird die Steuerfestsetzung, die nach dem Erwerb des unbebauten Grundstücks erfolgt ist, nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert.
Eine Änderung wegen neuer Tatsachen ist in diesen Fällen ausgeschlossen, weil die Tatsache (Abschluss des Bauvertrags) erst nach der Steuerfestsetzung erfolgt. Voraussetzung für die Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel ist nämlich, dass diese Tatsachen bei Erlass der Grunderwerbsteuerfestsetzung bereits vorhanden waren und bei Kenntnis vom Finanzamt hätten berücksichtigt werden können.
Wird der Bauvertrag erst nach dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossen, ohne dass besondere Umstände hinzutreten, kann gleichwohl ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang bei Vorliegen eines faktischen Zwangs oder bei der Hinnahme eines von der Veräußererseite vorbereiteten Geschehensablaufs angenommen werden.
2.2.2 Faktischer Zwang
Wird der Bauvertrag erst nach dem Grundstücksk...