Leitsatz
1. Die durch die Annahme eines einheitlichen – sowohl den Verkauf eines bestimmten Grundstücks als auch die Errichtung eines bestimmten Gebäudes umfassenden – Angebots ausgelöste Indizwirkung für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Kauf- und Bauvertrag i.S.d. Grundsätze zum einheitlichen Leistungsgegenstand gilt auch dann, wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten.
2. Ein einheitliches Angebot im vorbezeichneten Sinn kann auch dann gegeben sein, wenn die bis (annähernd) zur Baureife gediehene Vorplanung inhaltlich maßgebend von der Erwerberseite mit beeinflusst oder gar veranlasst worden ist (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Frau S, Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks, unterbreitete der Bau-GmbH ein unwiderrufliches Angebot zum Erwerb dieses Grundstücks. Die GmbH bot einer Bauherrengemeinschaft (BHG), zu der die Klägerin gehörte, die Errichtung eines Praxis- und Bürogebäudes auf dem Grundstück zum Pauschalpreis von rd. 4,5 Mio. DM an. Wenig später teilte die GmbH der S mit, aus wirtschaftlichen Gründen das Verkaufangebot nicht anzunehmen. Sodann verkaufte S das Grundstück für rd. 1 Mio. DM an die Mitglieder der BHG zu Miteigentum. Am selben Tag schloss die BHG – nunmehr als GbR auftretend – mit der GmbH einen Werkvertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Praxis- und Bürogebäudes zum Pauschalpreis von 3,5 Mio. DM. Zugleich unterbreitete die GmbH der BHG ein notariell beurkundetes Angebot zum Ankauf des Grundstücks, das erlöschen sollte, sobald der BHG eine Baugenehmigung vorlag. Die Baugenehmigung wurde erteilt.
Schließlich schloss die BHG mit dem Architekten B einen Architektenvertrag. Darin hieß es, die Planungsleistungen seien zum Teil bereits im Auftrag der GmbH erbracht worden. Darauf entfalle ein Honorar von 40.000 DM, das die BHG zu zahlen habe. Für die noch ausstehenden Planungen wurden weitere 40.000 DM vereinbart.
Das FG vernahm den B sowie den Geschäftsführer der GmbH als Zeugen und verneinte einen Erwerb des Grundstücks mit Gebäude, da es an einem zwischen S und der GmbH abgestimmten Verhalten fehle.
Die Zeugen hatten ausgesagt, ihnen seien weitere Kontakte zwischen S und der GmbH nicht bekannt. Hinsichtlich des Angebots der GmbH zur Errichtung des Gebäudes begnügte sich das FG mit der Angabe, es könne nicht mehr vorgelegt werden.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Er verwies auf die Rechtsprechung, wonach ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen einem Grundstückskaufvertrag und einem Bauerrichtungsvertrag dazu führe, dass das Grundstück in bebautem Zustand zum Erwerbsgegenstand wird, sowie darauf, dass ein solcher Zusammenhang als eine von zwei Fallgruppen dann bestehe, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt.
Für den Fall, dass der Erwerber den Kauf- und den Bauvertrag mit unterschiedlichen Partnern abgeschlossen hat, gab er dazu die im 1. Leitsatz wiedergegebene Erläuterung und dem FG auf, den Inhalt des Angebots der GmbH an die BHG zur Errichtung des Gebäudes festzustellen.
Als Hilfestellung machte er darauf aufmerksam, dass dieses Angebot der GmbH für sie einen nach § 147 Abs. 1 Nr. 3 AO aufbewahrungspflichtigen Geschäftsbrief darstelle und dass die Anforderungen an die Tatsachenfeststellungen sowie die Wiedergabe der aus ihnen abgeleiteten Schlussfolgerungen in dem Maß stiegen, in dem das FG seiner Entscheidung einen vom Üblichen abweichenden Sachverhalt oder Geschehensablauf zugrunde legt.
Hinweis
Beide Leitsätze enthalten eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, von denen nur die eine offen bekannt geworden ist.
Zum 1. Leitsatz
Die Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand bei getrennten Verträgen über den Grundstückskauf und die Gebäudeerrichtung lässt neben dem rechtlichen Zusammenhang beider Verträge auch einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang genügen. Ein derartiger sachlicher Zusammenhang wird in zwei Fällen angenommen, nämlich
a) zum einen dann, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei ist, und
b) zum anderen, wenn der Erwerb durch Annahme jenes im 1. Leitsatz angesprochenen einheitlichen Angebots zustande gekommen ist.
Jede dieser beiden Fallgruppen tritt in zwei Varianten auf. Bei der einen Variante schließt der Erwerber den Grundstückskauf- sowie den Bauerrichtungsvertrag mit demselben Vertragspartner. Insoweit ergeben sich keine weiteren Prüfungsanforderungen. Bei der anderen Variante schließt der Erwerber die Verträge mit unterschiedlichen Partnern, die dann unter dem Begriff "Veräußererseite" zusammengef...