Leitsatz
1. Entschließt sich der Steuerpflichtige, eine Investition zu tätigen, die letztlich nicht durchgeführt werden kann, weil sein Geschäftspartner ihm die – tatsächlich niemals gegebene – Lieferbarkeit des Investitionsobjekts in betrügerischer Absicht nur vorgespiegelt hat, ist die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Einkunftsart, der die verlorenen Aufwendungen des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind, nicht objektiv-rückblickend nach den tatsächlichen Verhältnissen vorzunehmen, sondern nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der maßgebenden Verträge.
2. Spiegelt ein Geschäftspartner dem Steuerpflichtigen vor, er könne durch den Erwerb eines – tatsächlich nicht existierenden – Blockheizkraftwerks elektrischen Strom erzeugen und im eigenen Namen sowie für eigene Rechnung, wenn auch durch Einschaltung eines Geschäftsbesorgers, vermarkten, sind die dem Steuerpflichtigen zur Durchführung dieser Investition entstandenen Aufwendungen auf die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gerichtet und daher als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar.
3. Eine nur schwach ausgeprägte, aber im Kern gleichwohl gegebene Unternehmerinitiative kann durch ein eindeutig vorhandenes Unternehmerrisiko dergestalt ausgeglichen werden, dass in der Gesamtschau die – für die Annahme gewerblicher Einkünfte erforderliche – Selbständigkeit der Betätigung zu bejahen ist.
4. Ein zivilrechtlicher Vertrag, der eine Kapitalüberlassung gegen eine erfolgsabhängige Vergütung vorsieht, kann nur dann als partiarisches Darlehen beurteilt werden, wenn dem Darlehensgeber ein Anspruch auf Rückzahlung des hingegebenen Geldes zusteht und keine Verlustbeteiligung vereinbart worden ist.
5. Ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine bestimmte Gestaltung die Voraussetzungen des § 15b EStG erfüllt, ist hierüber im Verfahren der gesonderten Feststellung nach § 15b Abs. 4 EStG zu entscheiden.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, § 15b Abs. 4 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 4 und 7, Abs. 8, Abs. 9, § 22 Nr. 3 EStG, § 116 Satz 1, § 133, § 157 BGB, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger kaufte zwei Blockheizkraftwerke (BHKW I und II) nach dem sog. Verwaltungsvertragsmodell und ein BHKW (BHKW III) nach dem sog. Verpachtungsmodell von der X-GmbH. Da die GmbH – wie von vornherein beabsichtigt – die BHKW nicht lieferte, entstanden dem Kläger Verluste. Diese erkannte das FA nicht an, weil kein Gewerbebetrieb, sondern ein partiarisches Darlehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (BHKW I und II) bzw. eine sonstige Kapitalforderung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (BHKW III) gegeben und daher das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG anzuwenden sei. Das FG gab dem Kläger überwiegend Recht. Es sah die Verluste der BKHW I und II als gewerblich an. Das BHKW III führe zu sonstigen Einkünften gemäß § 23 Nr. 3 EStG, sodass die Verluste nur nach Maßgabe dieser Vorschrift abziehbar seien (FG Münster, Urteil vom 11.3.2016, 4 K 3365/14 E, Haufe-Index 9395744, EFG 2016, 807).
Entscheidung
Die Revision des FA führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG – aber nur weil auf der Grundlage der Feststellungen des FG das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells gemäß § 15b EStG in Bezug auf das Verwaltungsvertragsmodell nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte.
Hinweis
Das Besprechungsurteil betrifft die steuerlichen Folgen eines betrügerischen Schneeballsystems mit mehr als 1.400 Geschädigten. Im Rahmen dieses Systems schloss eine GmbH mit den Geschädigten Verträge über den Erwerb eines Blockheizkraftwerks (BHKW) ab, obwohl von den Initiatoren nie beabsichtigt war, diese BHKW zu liefern oder zu betreiben. In der Variante des sog. Verwaltungsvertragsmodells wurden nicht nur der Kaufvertrag, sondern auch noch Verwaltungs- und Beschaffungsverträge mit anderen Gesellschaften der Initiatoren geschlossen. Bei dem sog. Verpachtungsmodell verpachtete der Erwerber das BHKW an die (vermeintlich) veräußernde GmbH.
1. Der BFH bestätigt, dass die Tätigkeit aufgrund des sog. Verwaltungsvertragsmodells als gewerblich anzusehen ist. Denn ob ein Steuerpflichtiger gewerblich tätig wird, bestimmt sich danach, ob die zu beurteilende Tätigkeit nach Art und Umfang dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht. Maßgebend hierfür sind neben der Verkehrsanschauung nicht der einzelne Betätigungsakt, sondern das jeweilige, vom Tatsachengericht umfassend zu würdigende Gesamtbild der Verhältnisse. Zu diesem Gesamtbild gehören auch die der jeweiligen Tätigkeit zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen. Dies gilt insbesonders, wenn die betreffende Aktivität nicht über das Stadium vorbereitender Maßnahmen hinausgekommen ist, die – wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer beabsichtigten Betriebseröffnung stehen – den Beginn eines Gewerbebetriebs im einkommensteuerrechtlichen Sinne markieren können. Die Qualifizierung der Einkunftsart beurteilt sich nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abs...