Dipl.-Finw. (FH) Roland Ronig
6.7.1 Allgemeines
Grundsätzlich ist jede Veräußerung/Einlösung einer sonstigen Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig. Da § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch die "reinen" Spekulationspapiere erfasst, unterliegt jede Kapitalforderung der Veräußerungsgewinnbesteuerung. Auch unverzinsliche Forderungen fallen unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Ein Forderungsausfall ist ebenso wie der Forderungsverzicht nach Auffassung des BFH entgegen der im Jahr 2016 veröffentlichten Verwaltungsauffassung steuerlich zu berücksichtigen.
Mittlerweile hat auch die Finanzverwaltung die BFH-Rechtsprechung ins BMF-Schreiben zur Abgeltungsteuer übernommen und verrechnet die Verluste bis zum VZ 2019 mit anderen Kapitaleinkünften.
Ab dem VZ 2020 unterliegen Verluste aus "wertlosen Kapitalforderungen" den besonderen Verrechnungsregelungen des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG.
6.7.2 Besonderheiten bei Stückzinsen
Der eigenständige Ansatz von vereinnahmten Stückzinsen ist seit 2009 entfallen. Die eigenständige Steuerpflicht ist regelmäßig auch nicht mehr erforderlich, da der Veräußerungsgewinn ohnehin steuerpflichtig ist. Ein "Herausrechnen" der Stückzinsen entfällt somit.
Nach § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG unterliegen Stückzinsen unabhängig vom Erwerbszeitpunkt der Kapitalforderung der Steuerpflicht.
Stückzinsen, die bei Erwerb eines verzinslichen Wertpapiers gezahlt wurden (gezahlte Stückzinsen), sind negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Zeitpunkt der Zahlung.
6.7.3 Anwendungsregelungen
Die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ergibt sich aus § 52 Abs. 28 Sätze 15–17 EStG. Danach ist zu unterscheiden, ob es sich bei der veräußerten/eingelösten Kapitalforderung um eine Kapitalforderung handelt, die nach der bis 2008 geltenden Rechtslage
- als Finanzinnovation nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. einzustufen war,
- (nur) der Altfassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F. unterlag ("normale" Rentenpapiere) oder
- lediglich als Spekulationspapier einzustufen war (= keine Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F., aber eine Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n. F.).
a) Finanzinnovation
Handelte es sich nach der bis 2008 geltenden Rechtslage um eine Finanzinnovation, unterliegt die Veräußerung der Abgeltungsteuer, wenn der Veräußerungspreis ab 2009 zufließt. Für diese Kapitalforderungen gewährt der Gesetzgeber keinen Bestandsschutz, da ja auch schon bis 2008 der Veräußerungsvorgang nach der Emissionsrendite oder Marktrendite zu versteuern war. Dies gilt auch dann, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint.
b) andere Rentenpapiere und Darlehen
Für bis zum 31.12.2008 erworbene sonstige Kapitalforderungen, die nicht als Finanzinnovation eingeordnet waren, gilt die neue Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht (Bestandsschutz). Es bleibt bei der bis 2008 geltenden Regelung:
- Steuerpflicht bei Veräußerung innerhalb eines Jahres,
- nicht steuerbare Wertrealisierung auf der Vermögensebene bei einer späteren Veräußerung.
Somit können auch Kursgewinne bei unter dem Nennwert erworbenen Anleihen bzw. bei Anleihen, die mit einem unschädlichen Emissionsdisagio ausgegeben wurden, ab 2009 steuerfrei vereinnahmt werden. Vereinnahmte Stückzinsen sind in jedem Fall steuerpflichtig.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ist für private Darlehens- und Gesellschafterforderungen gem. § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG nur dann anwendbar, wenn die Forderung nach dem 31.12.2008 angeschafft oder begründet wurde. Es kommt somit auf das wirksame Zustandekommen des Darlehensvertrags an.
c) Zertifikate
Reine Spekulationspapiere nach alter Rechtslage (z. B. Zertifikate ohne Garantien) fallen ab 2009 ebenfalls unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Nach dem 30.6.2009 realisierte Verluste aus der Veräußerung von sog. Vollrisikozertifikaten, die nach dem 14.3.2007 angeschafft wurden, sind steuerpflichtig. Wurden diese somit vor dem 15.3.2007 erworben, können diese steuerfrei veräußert/eingelöst werden.