Leitsatz
1. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei 2011) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehens- und Zinsforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung des Senatsurteils vom 27.02.2019 ‐ I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394).
2. Einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG steht bei Geschäftsbeziehungen mit Tochtergesellschaften aus Drittstaaten das Unionsrecht nicht entgegen (Bestätigung des Senatsurteils vom 27.02.2019 ‐ I R 51/17, BFHE 264, 292, und der Folgeurteile vom 19.06.2019 ‐ I R 5/17, BFH/NV 2020, 183, und vom 14.08.2019 ‐ I R 14/18, juris).
3. § 68 Satz 1 FGO ist anwendbar, wenn das Finanzamt in dem Gewinnfeststellungsbescheid einer Mitunternehmerschaft, den es während des gegen den ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid gerichteten Klageverfahrens erlässt, für die streitige Korrektur einer gewinnmindernden Teilwertabschreibung nicht mehr auf § 1 Abs. 1 AStG, sondern auf § 8b Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 KStG abstellt, und gleichzeitig den Nettoausweis der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in einen Bruttoausweis mit gesonderter Feststellung der unter § 8b KStG fallenden Einkünfte ändert.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 und 5 AStG, § 8b Abs. 3 Satz 4, Abs. 6 Satz 1 KStG, Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk., Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei 2011, Art. 63, Art. 64 Abs. 1 AEUV, § 68 Satz 1 FGO, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 174 Abs. 4, § 179 Abs. 3, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine inländische KG, an der im Streitjahr (2011) die B-GmbH als nicht vermögensmäßig beteiligte Komplementärin und die C-GmbH als alleinige Kommanditistin beteiligt waren. Im Jahr 2010 gründete die Klägerin als Alleingesellschafterin die T Ltd. mit Sitz in der Türkei. Anschließend gewährte die Klägerin der T Ltd. ein Darlehen mit einer Verzinsung von 6 % p.a. Die Zinszahlung berechnete sich nach dem jeweiligen Monatsendsaldo und war zum 31.12. eines Kalenderjahres fällig. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 24 Monaten und verlängerte sich um jeweils 12 Monate, wenn keine Kündigung erfolgte. Eine Sicherheit wurde nicht vereinbart.
Zum 31.12.2011 belief sich die Darlehensforderung auf ... EUR, die Zinsforderung auf ... EUR. Nachdem mit Gesellschafterbeschluss im Jahr 2011 die Liquidation der T Ltd. beschlossen worden war, nahm die Klägerin zum 31.12.2011 eine Teilwertabschreibung auf die gesamte Darlehens- und Zinsforderung vor. Am 1.1.2012 ging bei der Klägerin noch eine Zahlung der T Ltd. i.H.v. ... EUR ein.
In dem Gewinnfeststellungsbescheid für 2011 vom 22.11.2013 neutralisierte das FA die gewinnmindernde Teilwertabschreibung mit Rücksicht auf die fehlende Besicherung außerbilanziell gemäß § 1 Abs. 1 AStG und wies Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von (netto) ... EUR aus. In dem Gewerbesteuermessbescheid für 2011 vom 22.11.2013 ermittelte das FA hieraus einen Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. ... EUR.
Während des Klageverfahrens erließ das FA am 10.10.2016 einen Gewinnfeststellungsbescheid 2011, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. (brutto) ... EUR sowie darin "enthaltene laufende Einkünfte, die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG, § 8b KStG bzw. § 4 Abs. 7 UmwStG fallen (100 %)", i.H.v. ... EUR ausgewiesen waren. Daraus ergab sich ein unveränderter Nettobetrag i.H.v. ... EUR.
Die Klage blieb überwiegend ohne Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 9.2.2017, 5 K 9/15, Haufe-Index 10582369, EFG 2017, 763). In dem Urteil ging das FG von einer Minderung der Teilwertabschreibung um die nachträglich eingegangene Zahlung sowie von einer Minderung des Korrekturbetrags nach § 8b Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 8b Abs. 6 Satz 1 KStG um die Zinsforderung aus. Hieraus ermittelte es einen Nettobetrag i.H.v. ... EUR.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin war "lediglich" verfahrensrechtlich zum Teil erfolgreich. In der Sache (außerbilanzielle Korrektur der Teilwertabschreibung) bestätigte der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen den streitigen Gewinnfeststellungsbescheid als rechtmäßig.
Hinweis
1. Bei der Besprechungsentscheidung handelt es sich um eine weitere Folgeentscheidung zum Piloturteil des I. Senats vom 27.2.2019 (BFH, Urteil vom 27.2.2019, I R 73/16, BFH/NV 2019, 731, BFH/PR 2019, 202) betreffend die sog. Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk. Alle wesentlichen Aussagen des Grundsatzurteils, insbesondere die hierdurch erfolgten Rechtsprechungsänderungen zur Frage der Sperrwirkung und zur Bedeutung des sog. Konzernrückhalts, finden sich daher auch in der Besprechungsentscheidung. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die o.g. Pilotentscheidung und die im BFH/PR abgedruckte Erläuterung verwiesen werden.
2. Auf zwei Besonderheiten des Revisionsverfahrens I R 19/17 ist jedoch gesondert einzugehen:
a) In materiell-rechtlicher Hinsicht hat der BFH klargestellt, dass sich die auf § 1 Abs. 1 AStG gestützte außerbilanzielle Neutralisie...