Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
* Das einem Wehrdienstleistenden bezahlte Entlassungsgeld entfällt auf die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes. Es gehört zu den Bezügen i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und ist in voller Höhe im Jahr des Zuflusses zu erfassen.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 32 Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Der Sohn des Klägers hatte am 31.3.2000 seinen Wehrdienst beendet. Das Entlassungsgeld in Höhe von 2462 DM wurde ihm noch im März 2000 ausgezahlt. Ab April 2000 studierte er an einer Fachhochschule. Bei Berücksichtigung des Entlassungsgelds überschritt er den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Die Familienkasse vertrat die Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld habe; das Entlassungsgeld sei den Einkünften aus dem Ausbildungsverhältnis hinzuzurechnen. Demgegenüber ließ das FG das Kindergeld außer Ansatz; es sei noch während des Grundwehrdienstes und damit während der Kürzungsmonate zugeflossen.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf. Bei Überschreitung des Jahresgrenzbetrags bestehe kein Anspruch auf Kindergeld Das Entlassungsgeld eines Wehrdienstpflichtigen gehöre zu den berücksichtigungspflichtigen Bezügen i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Es sei nicht im Zeitpunkt des Zuflusses, sondern für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes zu erfassen. Insoweit gelte nichts anderes als für das Entlassungsgeld eines Zivildienstleistenden.
Hinweis
Der BFH hatte sich erst vor kurzem mit dem Entlassungsgeld eines Zivildienstleistenden zu befassen; er kam dabei zu dem Ergebnis, dass das Entlassungsgeld nicht bei dessen Einkünften, sondern bei dessen Bezügen zu erfassen sei (BFH, Urteil vom 14.5.2002, VIII R 57/00, BFH-PR 2002, 372). Es war deshalb damit zu rechnen, dass er auch das Entlassungsgeld eines Wehrdienstleistenden den Bezügen zurechnen werde. Denn auch diese Bezüge hat das Gesetz in § 3 Nr. 5 EStG von der Einkommensteuer freigestellt.
Wie im Fall VIII R 57/00 war das Entlassungsgeld auch im vorliegenden Fall noch zum Ende der Dienstzeit ausbezahlt worden. Sowohl die Zivildienstzeit als auch die Wehrdienstzeit gehören aber zu den sog. Kürzungsmonaten i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 6 (jetzt Satz 7) EStG. Würde man deshalb das Entlassungsgeld nach dem Zuflussprinzip i.S.d. § 11 Abs. 1 EStG beurteilen, müsste es nach § 32 Abs. 4 Satz 7 (jetzt Satz 8) EStG außer Ansatz bleiben.
Der BFH bestätigte in der vorliegenden Entscheidung noch einmal – und ggf. gegen die Vorstellungen des früher mit dem Kindergeld befassten VI. Senats des BFH (dazu Greite, FR 2002, 1028) –, dass er das Zuflussprinzip grundsätzlich nur bei der Beurteilung heranziehen will, in welchem Kalenderjahr die Zahlung zu erfassen ist. Dagegen ist die Frage, auf welchen Monat innerhalb eines Kalenderjahrs die Einkünfte und Bezüge i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 7 (jetzt Satz 8) EStG "entfallen", grundsätzlich danach zu beurteilen, für welchen Zeitraum sie zufließen (Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung, vgl. dazu BFH, Urteil vom 16.4.2002, VIII R 76/01, BFH-PR 2002, 299; zu möglichen Ausnahmen vgl. Hollatz, HFR 2002, 584 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Wie das Entlassungsgeld des Zivildienstleistenden entfällt auch das Entlassungsgeld eines Wehrdienstleistenden als Überbrückungshilfe bis zur Aufnahme einer Ausbildung oder bis zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess auf die Zeit nach Beendigung der Dienstzeit. Damit dürfte auch das Ergebnis der beim BFH noch anhängigen Revision VIII R 85/01 gegen das Urteil des FG Münster vom 20.3.2001, 15 K 6987/99 KG (EFG 2002, 29) vorgezeichnet sein, das einen Fall betrifft, in dem das Entlassungsgeld erst nach Beendigung der Dienstzeit ausbezahlt wurde.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.8.2002, VIII R 82/01