Mit der Entlastung billigen die GmbH-Gesellschafter die Art und Weise, wie der Geschäftsführer die Geschäfte geführt hat, und verzichten für den Entlastungszeitraum darauf, mögliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Mit der Entlastung verzichten die Gesellschafter auch darauf, mögliche Kündigungs- oder Abberufungsgründe dem Geschäftsführer gegenüber geltend zu machen (OLG Brandenburg, Urteil v. 29.6.2022, 7 U 133/21). Mit der Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer das Vertrauen für die Zukunft aus. Die Entlastung befreit Geschäftsführer von ihrer Haftung (Präklusionswirkung).
Die Präklusionswirkung erstreckt sich allerdings nur auf Ansprüche aus solchen Tatsachen, die die Gesellschafter aufgrund der Berichterstattung durch den Geschäftsführer oder aus den von diesem vorgelegten Unterlagen kennen oder bei sorgfältiger Prüfung hätte erkennen müssen! Wenn also die Gesellschafter trotz sorgfältiger Prüfung aller Unterlagen, Berichte und Informationen mögliche Verfehlungen des GmbH-Geschäftsführers nicht erkennen konnten, gilt die Entlastung insoweit nicht. Wenn dann – unter Umständen erst nach Jahren – eine Verfehlung des Geschäftsführers ans Licht kommt, können ihn die Gesellschafter dafür haftbar machen. Und das, obwohl sie ihm jahrelang Entlastung erteilt haben. Mit anderen Worten: Eine Offenlegung von Geschäftsführungstätigkeiten mit Schadenspotenzial mag zwar im Einzelfall als "Beichte" unangenehm sein, sichert aber bei erfolgter Entlastung vor spätere Haftung ab. Und auch wenn nicht vollständig entlastet wird, kann oft zumindest eine Teilentlastung erreicht werden, bei der nur konkret beanstandete Sachverhalte ausgenommen werden.
Die Gesellschafter behalten immer das Recht auf Kündigung und Schadensersatz, wenn es um nicht ersichtliche Fehlhandlungen des GmbH-Geschäftsführers geht. Auch das Recht auf Abberufung aus der Organstellung als Geschäftsführer bleibt dann unberührt von einer erteilten Entlastung.
Hat ein oder haben mehrere Gesellschafter nicht offiziell, aber privat von Fehlhandlungen des GmbH-Geschäftsführers Kenntnis erlangt und entlasten ihn trotzdem, so gilt das Fehlverhalten ebenfalls als entschuldigt. Es genügt bereits, wenn ein Gesellschafter privat vom Fehlverhalten des GmbH-Geschäftsführers erfahren hat. Dieser Gesellschafter muss die anderen Gesellschafter auch von seinen Kenntnissen unterrichten: Das erfordert die gegenseitige Treuepflicht der Gesellschafter untereinander.
Gesellschafterversammlung hat Ermessensspielraum
Nicht jede Pflichtverletzung des Geschäftsführers muss von der Gesellschafterversammlung mit der Verweigerung der Entlastung beantwortet werden. Entlastet die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer, obwohl sie Pflichtverletzungen kennt, die diesen möglicherweise zur Schadensersatzleistung an die Gesellschaft verpflichten, ist die Entlastung nicht in jedem Fall rechtswidrig. Vielmehr müssen die Gesamtumstände gewürdigt werden und es ist festzustellen, ob das der Gesellschafterversammlung eingeräumte Ermessen im Einzelfall so weit reduziert war, dass nur noch die Verweigerung der Entlastung in Betracht kommen konnte.
Verzichtet die Gesellschafterversammlung auf Schadensersatzansprüche aber gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer, liegt darin eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Schweigen die Gesellschafter jahrelang zu ihnen bekannten bestimmten Handlungen des GmbH-Geschäftsführers, bedeutet dies, dass die Gesellschafter die Geschäftsführer-Praktiken billigen – wenn auch vielleicht "zähneknirschend". Für den Geschäftsführer heißt das, dass er sich in solchen Fällen als entlastet betrachten darf.
Kostspielige Gewerbemietverträge
In einer GmbH krachte es gewaltig zwischen dem Alleingesellschafter und dem Geschäftsführer. Der Grund für die Auseinandersetzung: Der Geschäftsführer habe angeblich Geschäftsräume zu teuer angemietet. Und dann habe er dem Gesellschafter auch noch einen steuerlichen Schaden zugefügt, weil er nicht einen entsprechenden Anteil des bezahlten Mietpreises überwälzt habe. Und außerdem sei sein Verhalten ohnehin untreu und betrügerisch gewesen. Dabei hatte der Gesellschafter dem Geschäftsführer schon seit Jahren regelmäßige Entlastung erteilt. So auch, nachdem der jetzt angegriffene Mietvertrag abgeschlossen worden war.
Die erteilte Entlastung bedeutet, dass alle Ansprüche erlöschen. Der Geschäftsführer muss also für keines seiner Geschäfte mehr befürchten, dass er schadensersatzpflichtig gemacht wird. Nur dann, wenn der Gesellschafter ein Geschäft nicht kennen konnte – was hier nachweislich nicht der Fall war – oder wenn der Geschäftsführer strafbar gehandelt hat, bleibt er trotz erteilter Entlastung schadensersatzpflichtig. Allein durch das zu teure Anmieten von Geschäftsräumen aber begeht noch niemand eine strafbare Handlung. Und der angeblich vorgetragene Schaden wegen der entgangenen Steuersparmöglichkeit ist gar kein ersatzfähiger Schaden.