Leitsatz
Der Verzicht auf die Ausübung des Amts als Testamentsvollstrecker gegen "Entschädigung bzw. Schadenersatz" kann eine sonstige Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG sein.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG , Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger war auf seine Lebenszeit als Testamentsvollstrecker bestimmt. Alleinerbe war D. Wegen unüberbrückbarer Spannungen zwischen D und dem Kläger betreffend die Art und Weise der Verwaltung des Nachlasses und die Bemessung der Testamentsvollstreckervergütung erhielt der Kläger aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs eine "Entschädigung bzw. Schadenersatz für den Verlust aufgrund vorzeitiger Beendigung der Testamentsvollstreckung und den Entgang der ab ... auf die Dauer der Testamentsvollstreckung entfallenden Honorare".
Das FA unterwarf die Zahlung der Umsatzsteuer. Das FG verneinte einen Leistungsaustausch, weil D keinen Vorteil erhalten habe, der zu einem Verbrauch i.S.d. Mehrwertsteuerrechts geführt habe. Denn der Erbe erwerbe durch den Verzicht auf das Amt des Testamentsvollstreckers keine Gegenstände und empfange auch keine Dienstleistung zur eigenen Verwendung.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen ab. D hat einen Vorteil erlangt, denn durch den Verzicht konnte er über den Nachlass ohne die Beschränkungen durch die Testamentsvollstreckung verfügen. D hat sich zu den Geldzuwendungen an den Kläger verpflichtet, um dessen Verzicht auf die weitere Ausübung seines Testamentvollstreckeramts zu erreichen. Das genügt.
Hinweis
Die Abgrenzung zwischen sog. "echten", d.h. nicht steuerbaren Schadenersatz und einer steuerbaren Leistung i.S.d. UStG ist nicht immer leicht. Entscheidend für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ist nicht die von den Beteiligten verwendete Bezeichnung. Ob die angeführten Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist allein nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.
Die neuere Rechtsprechung arbeitet mit der Formel: Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus; der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Ist jemand bereit, dafür etwas zu bezahlen, dass ein anderer eine ihm geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausübt, ist das i.d.R. keine Nächstenliebe. Eine sonstige Leistung ist gem. § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG auch der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben. Das entspricht der 6. EG-RL: Nach Art. 6 Abs. 1 gilt als Dienstleistung jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands i.S.d. Art. 5 ist. "Diese Leistung kann unter anderem bestehen in der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden".
Ohne Bedeutung ist insoweit, ob die Tätigkeit auf einem Vertrag oder einem vertragsähnlichen Verhältnis beruht oder – wie z.B. beim Testamentsvollstrecker – auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Ein Umsatz kann auch im Rahmen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses erfolgen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Maßgebend ist allein: Bedeutet der Verzicht einen Vorteil für den Leistungsempfänger. Das wird i.d.R. der Fall sein, wenn dafür ein Entgelt gezahlt wird, d.h. wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Verzicht und Zahlung besteht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.5.2004, V R 40/02