Leitsatz
Erhält ein im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses Erwerbsloser vom Schädiger Ersatz für den verletzungsbedingt erlittenen Erwerbsschaden gemäß § 842 BGB, kommt es für die Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darauf an, ob mit der Zahlung steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen (sog. Verdienstausfall) oder der Wegfall des Anspruchs auf steuerfreie Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld (§ 3 Nr. 2 EStG a.F., § 3 Nr. 2 Buchst. a EStG n.F.) oder das Arbeitslosengeld II (§ 3 Nr. 2b EStG a.F., § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG n.F.).
Normenkette
§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 842 BGB
Sachverhalt
Der Kläger, der nichtselbstständig in der Industrie gearbeitet hatte, war bereits seit längerem arbeitslos, als er infolge einer missglückten Operation dauerhaft erwerbsunfähig wurde. Mit der Haftpflichtversicherung des Operateurs einigte er sich auf eine Abfindung. Damit sollte nach Angaben der Versicherung auch der Erwerbsschaden in bestimmter Höhe abgegolten sein. Das FA nahm in dieser Höhe steuerpflichtige Entschädigungsleistungen an. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 1.6.2017, 10 K 3444/15, Haufe-Index 11394994, EFG 2018, 38).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Angesichts der objektiv geringen Höhe der Entschädigung muss das FG noch prüfen, ob der Kläger möglicherweise nur für den Wegfall von nicht steuerbaren Sozialleistungen entschädigt worden ist, die er wohl im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bezog.
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Entschädigung für eine schuldhafte Körperverletzung (hier: ärztlicher Kunstfehler) bei einem Erwerbslosen steuerpflichtig ist.
1. Bei den Einnahmen, die durch die Entschädigung ersetzt werden sollen, muss es sich um steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen handeln.
a) Von vornherein unbeachtlich sind deshalb Zahlungen, mit denen Vermögensnachteile ausgeglichen werden wie der Ersatz von Arzt- oder Heilungskosten oder anderen verletzungsbedingten Mehraufwendungen. Unbeachtlich ist auch das Schmerzensgeld; es ersetzt ebenfalls keine Einnahmen.
b) Erhält ein im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses Erwerbsloser vom Schädiger Ersatz für den verletzungsbedingt erlittenen Erwerbsschaden (§ 842 BGB), kann es sich um steuerpflichtigen Verdienstausfall oder um steuerfreien Ersatz von Sozialleistungen handeln.
aa) Hätte der Geschädigte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (also ohne das schädigende Ereignis) seine Berufstätigkeit alsbald wieder aufgenommen und wird er vom Schädiger dafür entschädigt, dass es infolge des schädigenden Ereignisses nicht dazu gekommen ist, werden steuerpflichtige Einnahmen ersetzt.
bb) Ersetzt der Schädiger jedoch nur den Wegfall des Anspruchs auf eine steuerfreie Sozialleistung (z.B. Arbeitslosengeld II), weil der Geschädigte wegen schädigungsbedingt dauernder Erwerbsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht, handelt es sich bei der Ersatzleistung wie bei der durch sie ersetzten Sozialleistung um nicht steuerbare Zahlungen.
2. Die ersetzten Einnahmen müssen außerdem einer bestimmten Einkunftsart unterfallen. Hat ein Erwerbsloser in seinem erlernten und ausgeübten Beruf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt, ist, wenn er für seinen zukünftigen Verdienstausfall entschädigt wird, davon auszugehen, dass Einnahmen aus dieser Einkunftsart ersetzt werden sollen. Dass der Erwerbslose Einkünfte aus dieser Einkunftsart möglicherweise schon lange nicht mehr erzielt hat, ändert daran nichts. Unbeachtlich ist auch, dass er sich möglicherweise im Laufe seiner hypothetischen Erwerbsbiografie noch andere Einkunftsquellen hätte erschließen können.
3. Steuerbar sind auch Entschädigungen, die ein Dritter, insbesondere eine Versicherung, für den Schädiger leistet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.7.2018 – IX R 25/17