Leitsatz

1. Bei einem zur Abwendung einer Enteignung geschlossenen Grundstückskaufvertrag über einen Teil eines Betriebsgrundstücks gehören neben dem Kaufpreis auch Entschädigungsleistungen, die dem Verkäufer zum Ausgleich für Vermögensnachteile infolge der Grundstücksveräußerung (insbesondere für eine Betriebseinschränkung oder -verlegung) gezahlt werden, zur Gegenleistung nach § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

2. § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 GrEStG nimmt ausschließlich die besondere Entschädigung für eine Wertminderung der nicht enteigneten Grundstücke von der als Gegenleistung anzusetzenden Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer aus. Keine Wertminderung der nicht enteigneten Grundstücke sind Vermögensnachteile, die an anderen Vermögensgütern des Veräußerers eintreten.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG , § 2 GrEStG , § 8 Abs. 1 GrEStG , § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 7 Satz 2 GrEStG

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Verkehrsträger, erwarb durch Grundstückskaufvertrag zur Abwendung einer Enteignung Teilflächen zweier Grundstücke, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten und auf denen der Veräußerer einen Gewerbebetrieb unterhielt. Den Besitz hatte ihm der Veräußerer schon einige Jahre früher eingeräumt. Die vorzeitige Besitzüberlassung erforderte zunächst eine provisorische Teilverlagerung des Betriebs, der später eine endgültige Teilverlagerung auf ein Ersatzgrundstück folgte. Gem. dem Kaufvertrag hatte der Kläger neben der Gegenleistung für die Grundstücksteilflächen Entschädigungen für die provisorische Teilverlagerung des Betriebs, für Mehrkosten infolge der Teilverlagerung des Betriebs, sowie für Folgekosten (Suche eines Ersatzstandorts, verlorenes Inventar, Verlagerungskosten, Verluste im Warenbestand, verlagerungsbedingter Ausfall) zu leisten.

Das FA bezog sämtliche Entschädigungen in die Bemessungsgrundlage ein. Auch die Klage blieb im Wesentlichen erfolglos. Der Kläger sah darin eine Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 7 Satz 2 und 3 GrEStG.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG. Dem § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 GrEStG kommt bei einem Grundstückskaufvertrag zur Vermeidung einer Enteignung keine Einschränkung des Gegenleistungsbegriffs über den Wortlaut hinaus zu. Vielmehr bemisst sich wie bei jedem Grundstückskaufvertrag die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG) und bestimmt sich die Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Danach zählen alle Leistungen, die der Verkäufer als Entgelt für das Grundstück erhält oder der Erwerber für den Erwerb des Grundstücks gewährt, zur Gegenleistung. Die Entschädigung für die zunächst nur provisorische Teilverlagerung des Betriebs ist nicht mit einem Entgelt für eine vorzeitige Nutzungsüberlassung des Grundstücks vergleichbar.

 

Hinweis

Die Bedeutung der Entscheidung liegt einmal darin, einer Ausdehnung der Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 GrEStG entgegenzutreten, wonach eine besondere Entschädigung für eine Wertminderung der nicht enteigneten Grundstücke nicht zur Gegenleistung gehört, wenn die Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Diese Regelung, die gem. Satz 3 der Vorschrift auch auf Grundstücksveräußerungen zur Abwendung einer Enteignung anwendbar ist, ist einer erweiterten Auslegung auf andere Entschädigungen nicht zugänglich.

Zum anderen kommt der Entscheidung insofern Bedeutung zu, als mit ihr die in der Literatur anzutreffende Meinung verworfen wird, bei Erwerbsvorgängen im Weg einer -Enteignung oder eines Kaufvertrags zur -Abwendung einer Enteignung sei die Gegenleistung i.S.d. §§ 8 und 9 GrEStG auf die Entschädigung für den Rechtsverlust (Substanzverlust) hinsichtlich des Grundstücks beschränkt und daher die Entschädigung für die mit der Enteignung verbundenen sonstigen Vermögensnachteile (Folgeschäden) nicht in die Gegenleistung einzubeziehen. Vielmehr gelten auch in den genannten Erwerbsfällen die allgemeinen Grundsätze zum Gegenleistungsbegriff, wie sie etwa für den Kauf in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG enthalten sind. Danach sind bei Grundstückskaufverträgen zur Abwendung einer Enteignung vereinbarte Entschädigungen für Folgeschäden als "übernommene sonstige Leistungen" Teil der Gegenleistung. Andererseits sind Entschädigungen für Zubehör und Betriebsvorrichtungen, das bzw. die auf den Erwerber übergegangen sind, nicht zur Gegenleistung zu rechnen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 2.6.2005, II R 6/04

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge