2.6.1 Allgemeines

Die Ausschlagung der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses bildet ein interessantes Gestaltungsmittel bei der Erbschaftsteuer. Insbesondere wenn der Erbfall schon eingetreten ist, kann durch eine gut durchdachte Ausschlagung noch nachträglich eine Steueroptimierung erreicht werden. Mithilfe der Ausschlagung können weitere Freibeträge genutzt werden und auch ein günstigerer Tarif erreicht werden.[1]

Im Folgenden werden exemplarische Fallgestaltungen dargestellt.

 
Hinweis

Ausschlagung kein Gestaltungsmissbrauch

Wird eine Ausschlagung vorgenommen, so stellt dies keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO dar.

[1] S. hierzu Loose, Erbschaftsteuer, 4. Aufl. 2021, B 78.

2.6.2 Teilausschlagung

Eine Teilausschlagung ist zivilrechtlich nicht möglich. Möglich wird dies durch die zulässige Vollausschlagung der Erbschaft gegen Zahlung einer Teilabfindung.[1]

 
Praxis-Beispiel

Teilabfindung

Der Witwer W hinterlässt als Alleinerben den Sohn S und die Tochter T. Sonstige Verwandte sind nicht vorhanden. W verstirbt. Der Nachlass hat einen steuerlichen Wert i. H. v. 2.000.000 EUR. Sohn S schlägt die Erbschaft aus und erhält im Gegenzug von Tochter T eine Geldabfindung i. H. v. 540.000 EUR.

a) Besteuerung von Sohn S

Sohn S hat aufgrund der Ausschlagung der Erbschaft seinen Erwerb (= Teilabfindung) nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu versteuern.

Die Erbschaftsteuer für S berechnet sich wie folgt:

 
Teilabfindung 540.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) 140.000 EUR
Erbschaftsteuer (11 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 15.400 EUR

Die Erbschaftsteuer des S beläuft sich demnach auf 15.400 EUR.

b) Besteuerung von Tochter T

Tochter T ist durch die Ausschlagung des S Alleinerbin geworden. Sie hat ihren Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Die Abfindung an S kann sie gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Kosten zur Erlangung des Erwerbs abziehen.

Die Erbschaftsteuer für T berechnet sich wie folgt:

 
Vermögensanfall 2.000.000 EUR
abzüglich Abfindung (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 540.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) 1.060.000 EUR
Erbschaftsteuer (19 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 201.400 EUR

Die Erbschaftsteuer der T beläuft sich demnach auf 201.400 EUR.

[1] Loose, Erbschaftsteuer, 4. Aufl. 2021, B 77.

2.6.3 Gestaltungsmöglichkeiten beim Berliner Testament

Haben die Ehegatten ein Berliner Testament errichtet, in denen sie ihre gemeinschaftlichen Kinder als Schlusserben eingesetzt haben, so ist dies aus steuerlicher Sicht regelmäßig nachteilig. Denn zum einen werden die persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG der Schlusserben zum erstversterbenden Ehegatten verschenkt, darüber hinaus erhöht sich auch die Steuerprogression (siehe § 19 ErbStG).

Mit Hilfe der Ausschlagung der Erbschaft durch den überlebenden Ehegatten können die vorgenannten Nachteile reduziert werden.

 
Praxis-Beispiel

Berliner Testament

Das Ehepaar EM und EF lebt im Güterstand der Gütertrennung. Sie haben die 2 gemeinsamen Kinder Sohn S und Tochter T. In ihrem Testament haben sich EM und EF gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, dass die gemeinsamen Kinder Schlusserben werden sollen.[1] Dersteuerliche Wert des Vermögens von EM beträgt 1.300.000 EUR. EF besitzt eigenes Vermögen mit einem gemeinen Wert i. H. v. 350.000 EUR. EM verstirbt. Nach § 13a ErbStG und § 13d ErbStG begünstigtes Vermögen soll nicht vorhanden sein.

a) Erbfall von Ehemann EM an die Ehefrau EF

Die Erbschaftsteuer für EF berechnet sich wie folgt:

 
Vermögensanfall 1.300.000 EUR
abzüglich Erbfallkostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
abzüglich besonderer Versorgungsfreibetrag (§ 17 Abs. 1 ErbStG) ./. 256.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ./. 500.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) 533.700 EUR
Erbschaftsteuer (15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 80.055 EUR

b) Erbfall von Ehefrau EF an die Kinder S und T

Verstirbt nach 12 Jahren auch die Ehefrau EF, so erhalten die Kinder S und T das Vermögen als Schlusserben.

Der Vermögensanfall für die Kinder S und T i. H. v. 1.569.945 EUR ergibt sich aus dem Vermögensanfall von EM an EF (1.300.000 EUR abzüglich der Erbschaftsteuer 80.055 EUR = 1.219.945 EUR) zuzüglich des Vermögens von EF i. H. v. 350.000 EUR.

Die Erbschaftsteuer für S und T berechnet sich jeweils wie folgt:

 
Vermögensanfall (1/2 von 1.569.945 EUR) 784.972 EUR
abzüglich Erbfallkostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 5.150 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (nach Abrundung; § 10 Abs. 1 ErbStG) 379.800 EUR
Erbschaftsteuer (15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 56.970 EUR

Insgesamt ergibt sich auf beide Erbfälle eine Erbschaftsteuer i. H. v. 193.995 EUR (Erbfall EM an EF 80.055 EUR + Erbfall EF an S und T = 2 x 56.970 EUR).

Abwandlung:

Schlägt Ehefrau EF die Erbschaft dagegen zugunsten ihrer Kinder S und T aus, dann ergibt sich die folgende Erbschaftsteuer.

a) Er...

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