6.1 Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 17.12.2014 ist die Lohnsummenregelung im Grundsatz verfassungsgemäß. Beanstandet wurde jedoch die Anzahl der Beschäftigten. Demnach privilegierte die Freistellung von der Mindestlohnsumme den Erwerb von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig.
Eine Freistellung von der Einhaltung der Mindestlohnsumme kann nach aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts allerdings gerechtfertigt sein, soweit sie auf eine relativ kleine Gruppe von Betriebsübergängen begrenzt und diese Gruppe zudem so umschrieben wird, dass das Bedürfnis für eine solche Freistellung ein besonderes Gewicht besitzt. Das mag insbesondere dann der Fall sein, wenn die betroffenen Betriebe über eine so geringe Zahl an Beschäftigten verfügen, dass schon einzelne unkalkulierbare Wechsel in der Belegschaft – die sich über einen so langen Zeitraum, wie ihn die Lohnsummenfrist vorsieht, kaum völlig vermeiden lassen – die Einhaltung der Mindestlohnsumme ausschließen oder weitgehend unmöglich machen.
6.2 Die neuen Regelungen
Die Lohnsummenregelung sieht nunmehr ab dem 1.7.2016 wie folgt aus.
Verschonungsabschlag von 85 %
Voraussetzung für die Gewährung des 85 %igen Verschonungsabschlag ist nach § 13a Abs. 3 ErbStG – wie bisher nach dem bis zum 30.6.2016 geltenden Recht, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme).
Verschonungsabschlag von 100 %
Hier gilt das gleiche wie oben dargestellte, mit den folgenden Modifizierungen:
- Es tritt an die Stelle der Lohnsummenfrist von fünf Jahren eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren gem. § 13a Abs. 10 Nr. 2 ErbStG.
- tritt an die Stelle der Mindestlohnsumme von 400 Prozent eine Mindestlohnsumme von 700 %;
Darüber hinaus findet nach § 13c Abs. 2 ErbStG die Lohnsummenregelung auch beim Abschmelzmodell Anwendung und auch bei der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a Abs. 4 ErbStG.
6.3 Ausnahmen
Die Lohnsummenregelung findet in den folgenden Fällen keine Anwendung:
- Der Betrieb hat eine Ausgangslohnsumme von 0 EUR oder
- Der Betrieb hat nicht mehr als 5 Beschäftigte. Hierbei sind die in § 13a Abs. 3 Sätze 11 bis 13 ErbStG genannten Beteiligungen und Gesellschaften einzubeziehen. Dabei wird berücksichtigt, dass bei bis zu fünf Beschäftigten das Bedürfnis einer Freistellung von der Lohnsummenregelung besonders groß ist. Bereits der nur schwer kalkulierbare Wegfall eines Beschäftigten führt bei gleichen Lohnverhältnissen zum Wegfall eines Fünftels der Lohnsumme und macht die Einhaltung der Mindestlohnsumme nahezu unmöglich. Außerdem hat wegen der geringen Bezugsgröße ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme wesentlich größere steuerrechtliche Auswirkung als bei Betrieben mit einer größeren Zahl von Beschäftigten. Je geringer die Anzahl der Beschäftigten ist, desto mehr gerät auch die Tätigkeit des Unternehmers selbst in den Vordergrund, die dann durch eine Nachbesteuerung wegen Nichteinhaltung der Lohnsummenregel neben den verbleibenden Arbeitsplätzen gefährdet werden könnte.
Verstoß gegen die Lohnsummenregelung bei weniger als 5 Arbeitnehmern
Der Großvater GV schenkt seinem Lieblingsenkel EN seinen Betrieb. Dessen begünstigtes Vermögen (Verwaltungsvermögen ist nicht vorhanden) beträgt 4.640.000 EUR. Der Betrieb hat nur drei Beschäftigte. EN hat keinen Antrag auf die Optionsverschonung gestellt. Nach Ablauf der Lohnsummenfrist von 5 Jahren erreichen die jährlichen Lohnsummen nur 100 % der Ausgangslohnsumme.
Lösung
a) Zeitpunkt der Zuwendung
Dem EN ist der 85 %ige Verschonungsabschlag zu gewähren, da die Grenze von 26.000.000 EUR nicht überschritten wurde und darüber hinaus auch kein Antrag auf Optionsverschonung gestellt wurde. Das anzusetzende Betriebsvermögen ist wie folgt zu errechnen.
begünstigtes Betriebsvermögen |
4.640.000 EUR |
./. 85 %iger Verschonungsabschlag |
./. 3.944.000 EUR |
verbleibendes begünstigtes Betriebsvermögen |
696.000 EUR |
Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG kommt aufgrund der Höhe des verbleibenden begünstigten Betriebsvermögens nicht zur Anwendung. Die Erbschaftsteuer für Enkel EN errechnet sich wie folgt: |
verbleibendes begünstigtes Betriebsvermögen |
696.000 EUR |
./. Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) |
./. 200.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) |
496.000 EUR |
Schenkungsteuer EN (Steuersatz 19 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) |
94.240 EUR |
b) Verstoß gegen die Lohnsummenregelung
Der Verstoß gegen die Lohnsummenregelung ist hier unbeachtlich, da die Beschäftigtenzahl des Betriebes bei nicht mehr als 5 Beschäftigten gelegen hat.
Sozialversicherungsrechtlicher Status unmaßgeblich
Es sind alle Beschäftigte einzubeziehen, ohne Rücksicht auf ihren sozialversicherungsrechtlichen Status. Damit sind auch geringfügig Beschäfti...