Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen als sog. Grundtatbestände nach § 1 Abs. 1 ErbStG (= sachliche Steuerpflicht)
- der Erwerb von Todes wegen,
- die Schenkungen unter Lebenden,
- die Zweckzuwendungen und
- die (Familien-)Stiftungen
mit dem Ziel, die Bereicherung aus einem Vermögensanfall zu erfassen. Die Schenkung ist schon deshalb mit einzubeziehen, um sonst mögliche Steuerumgehungen durch Vermögensübertragungen unter Lebenden zu verhindern. Grundlage der Besteuerung ist nicht die Höhe des Nachlasses, sondern die Bereicherung, die bei dem Begünstigten eintritt. Hauptanspruchsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer sind der Erwerb von Todes wegen und die Schenkung unter Lebenden.
Ein Erwerb von Todes wegen setzt voraus, dass infolge des Tods (einer natürlichen Person) Vermögen auf eine andere Person übergeht (natürliche Person, Personengruppe oder jurstische Person). Der Zeitpunkt des Tods ergibt sich im Regelfall durch Feststellung im Sterbebuch und der standesamtlichen Sterbeurkunde. In anderen Fällen greifen die Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes. Die im § 3 ErbStG aufgezählten Tatbestände des Erwerbs von Todes wegen sind abschließend, d. h. andere als die genannten Tatbestände werden nicht zur Erbschaftsteuer herangezogen. Damit unterliegen als Erwerb von Todes wegen insbesondere die folgenden Vorgänge dem ErbStG:
- Der Erwerb durch Erbanfall – im Regelfall durch gesetzliche Erbfolge oder durch gewillkürte Erbfolge (Testament), .
- Das Vermächtnis – nicht von Bedeutung ist, worauf das Vermächtnis ausgerichtet ist; am häufigsten sind Geld- oder Rentenvermächtnisse. Das bei dem Begünstigten zu einem Erwerb führende Vermächtnis führt bei dem zur Erfüllung verpflichteten Erben/der Erbengemeinschaft zu einer Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.
- Der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch. Ist ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge durch Testament ausgeschlossen ("enterbt") worden, hat er als Pflichtteilsanspruch die Hälfte seines gesetzlichen Erbanspruchs. Der Anspruch ist aber ein lediglich auf Geld gerichteter Anspruch, der Pflichtteilsberechtigte wird nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. Der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch führt bei dem Erben/der Erbengemeinschaft zu einer Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.
- Der Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall. Hier ist insbesondere die gesetzliche Fiktion bei dem Anwachsen von Anteilen an Personen- oder Kapitalgesellschaften bei dem Tod eines Gesellschafters bei den überlebenden Gesellschaftern zu beachten, wenn der Abfindungsanspruch des Erben/der Erbengemeinschaft unter dem erbschaftsteuerrechtlichen Wert der Anteile liegt.
- Die Vermögensvorteile, die aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags von einem Dritten (Vertrag zugunsten Dritter) unmittelbar erworben werden. Dies sind insbesondere die direkt von einer Versicherung erworbenen Ansprüche eines Begünstigten im Todesfall des Versicherungsnehmers. Der im Regelfall durch eine Kapital- oder Risikolebensversicherung im Todeszeitpunkt entstehende Auszahlungsanspruch ist kein in den Nachlass fallender Anspruch, er wird von der begünstigten Person oder – wenn keine begünstigte Person festgelegt wurde – der Erbengemeinschaft unmittelbar erworben.
Als Schenkung unter Lebenden gilt jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Die Bereicherung bedeutet eine in Geld zu bewertende Vermögensmehrung. Sofern eine Gegenleistung für diese Zuwendung zu erbringen ist, liegt keine Bereicherung vor. Deshalb ist zivilrechtlich dem Grunde nach und steuerrechtlich der Höhe nach zu bewerten und dann gegeneinander zu prüfen.
Verdeckte Gewinnausschüttung kann zu einer Bereicherung führen
Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Freigebig sind auch Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften, soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. Die Bereicherung gilt dabei als von der Person zugewendet, die die Zuwendung veranlasst hat.