Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sonderfall: Der Börsenkurs
Ein Sonderfall der Bewertung liegt vor, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft bewertet werden müssen, die an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. In diesen Fällen ist der am Stichtag für dieses Wertpapier im regulierten Markt niedrigste notierte Kurs anzusetzen. Wenn kein Kurs zum Bewertungsstichtag festgestellt wird, ist der letzte innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Bewertungsstichtag notierte Wert anzusetzen.
Paketzuschlag in bestimmten Fällen
Ggf. kann hier noch ein Paketzuschlag nach § 11 Abs. 3 BewG zu berücksichtigen sein. Mit einem solchen Paketzuschlag kann dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass ein bestimmter Umfang an Anteilen insgesamt mehr wert sein kann, als die Summe der Einzelanteile. Dies muss aber immer im Einzelfall beurteilt werden – insbesondere ist hier auch der Umfang der Beteiligungen der anderen Gesellschafter zu berücksichtigen. Regelmäßig soll ein Paketzuschlag vorgenommen werden, wenn ein Gesellschafter mehr als 25 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf einen oder mehrere Erwerber überträgt.
Der Ansatz des Börsenkurses ist – soweit ein solcher ermittelbar ist – eigentlich die idealtypische Umsetzung der Vorgaben des BVerfG zur Bewertung von Vermögensteilen. Besser als durch einen zum Bewertungsstichtag ermittelten Börsenkurs kann der gemeine Wert von Anteilen nicht festgestellt werden.
Teilweise zufallsbedingte Wertermittlung durch Börsenkurse
Diese Grundaussage trifft zumindest in Zeiten normaler Entwicklungen an den Weltbörsen zu. In Ausnahmesituationen, in denen Börsenkurse eher von externen Einflüssen getragen werden, kann dies auch zu einer zufallsbedingten Besteuerung führen. Dennoch geht kein Weg an dem Ansatz des Börsenkurses vorbei, wenn ein solcher Börsenkurs ermittelbar ist.
3.2 Allgemeine Bewertung des Betriebsvermögens und von Anteilen an Kapitalgesellschaften
Bei der Bewertung des Betriebsvermögens (Einzelunternehmen, Freiberuflerpraxen, Beteiligungen an Personengesellschaften) wie auch bei Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist als steuerlicher Wert der gemeine Wert i. S. d. § 9 BewG anzusetzen. Dieser Wert soll nach § 11 Abs. 2 BewG – soweit kein Börsenkurs gegeben ist – wie folgt ermittelt werden:
- Vorrangig soll der Wert aus Verkäufen abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt (Tage des Erwerbs) stattgefunden haben.
- Hat kein Verkauf innerhalb des letzten Jahrs vor dem Besteuerungszeitpunkt stattgefunden, soll im Rahmen eines Verfahrens unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode der Verkehrswert des Betriebsvermögens ermittelt werden.
- Soweit kein besonderes Verfahren zur Ermittlung des gemeinen Werts angewendet wird, kann der Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 199 ff. BewG ermittelt werden.
Auf diese – in § 11 Abs. 2 BewG für die Bewertung von Kapitalgesellschaften enthaltenen – Regelungen wird in § 109 Abs. 1 und Abs. 2 BewG für die Bewertung von Gewerbebetrieben, freiberuflich Tätigen und Anteilen an Gesellschaften i. S. d. § 97 Abs. 1 BewG verwiesen. Damit sind auch bei einem Einzelgewerbetreibenden (oder einem freiberuflich Tätigen) oder bei einer Personengesellschaft diese Grundsätze anzusetzen.
In der Praxis wird sich allerdings bei Einzelunternehmen kaum ein Einzelverkaufspreis ergeben, sodass dies eher eine theoretische Möglichkeit zur Ermittlung des gemeinen Werts darstellt.
Bei der Bewertung ausländischen Betriebsvermögens sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften können diese Grundsätze entsprechend angewendet werden. Dabei ist die Bewertung in der entsprechenden Landeswährung durchzuführen, der ermittelte Ertragswert ist mit dem Devisenkurs vom Bewertungsstichtag umzurechnen. Der Gewinnermittlung können die in den jeweiligen Ländern geltenden Gewinnermittlungsvorschriften zugrunde gelegt werden, soweit die Korrekturen nach § 202 Abs. 1 Satz 2 BewG angewendet werden können.
3.2.1 Ableitung aus Verkäufen
Die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen wird in der Praxis ohne größere Probleme ablaufen. Allerdings wird es der Ausnahmefall sein, da solche Vermögenswerte im Regelfall selten Gegenstand entgeltlicher Erwerbsvorgänge sein werden. Der Verkauf muss nach der ausdrücklichen Regelung des § 11 Abs. 2 BewG weniger als ein Jahr zurückliegen. Verkäufe, die erst nach dem Besteuerungszeitpunkt stattgefunden haben, können nicht berücksichtigt werden.
Kaufpreise nach dem Bewertungsstichtag nur in Ausnahmefällen zu berücksichtigen
Ist die Einigung über den Kaufpreis schon vor dem Bewertungsstichtag erfolgt, lediglich der formelle Vertragsabschluss erst nach dem Bewertungsstichtag durchgeführt worden (z. B. weil der Gesellschafter nach den Verhandlungen, aber vor Vertragsunterzeichnung verstorben ist), kann ausnahmswe...