Kommentar

Im Streitfall hatte der Erblasser – Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH – zur Befreiung von der Pflicht versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen und seine Ehefrau als unmittelbar Bezugsberechtigte bestimmt. Streitig war bei diesem in der Praxis häufigen Sachverhalt, ob Erwerbe aus dieser vom Erblasser abgeschlossenen sog. befreienden Lebensversicherung der Erbschaftsteuer unterliegen ( § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ).

Das Finanzamt behandelte den Erwerb der Witwe entsprechend ständiger Verwaltungsübung in vollem Umfang als steuerpflichtig (vgl. OFD Düsseldorf, Verfügung v. 21. 8. 1969, DB 1969 S. 1823). In einem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids entschieden FG und BFH übereinstimmend, es sei ernstlich zweifelhaft, ob der Bezug einer vom Erblasser zur Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegt . Die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids wurde daher zum Teil ausgesetzt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 25.08.1998, II B 25/98

Hinweis:

Der BFH verwies in der Begründung seines Beschlusses darauf, gegen die Auffassung der Finanzverwaltung würden im Schrifttum erhebliche Bedenken geltend gemacht (vgl. z. B. Reuter, BB 1988 S. 6 f., Beilage 7; Haass, DStR 1970 S. 746; Späth, BB 1970 S. 957; a. A. Moench/Kien-Hümbert, Erbschaft- und Schenkungsteuer-Kommentar, Mai 1998, § 3 Rn. 101; Troll, Erbschaftsteuergesetz § 3 Rn. 303).

Dabei wird m. E. zurecht maßgebend darauf abgestellt, daß die befreiende Lebensversicherung wirtschaftlich an die Stelle der gesetzlichen Pflichtversicherung trete und daher steuerlich wie diese zu behandeln sei. Meincke verweist zusätzlich darauf, daß in Fällen, in denen der Arbeitgeber – wie im entschiedenen Fall auch – im Innenverhältnis einen Teil der Beitragslast für die befreiende Lebensversicherung getragen habe, jedenfalls der den Arbeitgeberbeiträgen entsprechende Teil der Versicherungsleistung als steuerfreie Hinterbliebenenversorgung aus einem Arbeitsverhältnis gelten müsse (Meincke, Erbschaftsteuergesetz, 11. Aufl. 1997, § 3 Rn. 93). M.E. spricht viel für diese Auffassung. So hat denn auch der BFH – wirtschaftlich vergleichbar wertend – die auf Einzelarbeitsverträgen beruhende betriebliche Hinterbliebenenversorgung unter gewissen Voraussetzungen nicht der Erbschaftsteuer unterworfen (BFH, Urteil v. 13. 12. 1989, II R 23/85, BStBl 1990 II S. 322 m.w.H.).

Demgegenüber scheint die auf dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beruhende und mit der scharfen Trennung zwischen rechtsgeschäftlichem und gesetzlichem Erwerbsgrund mehr oder weniger formal begründete Auffassung der Finanzverwaltung im Ergebnis wenig überzeugend. Steuerpflichtige, bei denen sich eine vergleichbare Problematik wie im Streitfall stellt, sollten es nicht versäumen, gegen die Erbschaftsteuerveranlagung Einspruch einzulegen und das Verfahren offenzuhalten, bis der BFH zu der von ihm z. Zt. nicht abschließend entschiedenen Rechtsfrage Stellung genommen hat.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge