2.1 Allgemeines
Hat der Versicherungsnehmer keinen Bezugsberechtigten benannt, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass des Erben. Besteuerungstatbestand ist damit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, d. h., der jeweilige gesetzliche oder testamentarische Erbe hat den Anspruch auf die Lebensversicherung als Erwerb von Todes wegen zu versteuern (Erbanfall). Das Gleiche gilt auch, wenn die bezugsberechtigte Person vorverstorben ist.
Beispiel 1
Vater V ist geschieden. V hat mit dem Versicherungsunternehmen U eine Lebensversicherung abgeschlossen. Diese soll mit seinem Tod zur Auszahlung kommen. Eine bezugsberechtigte Person hat V nicht benannt. Erbe laut Testament ist sein einziger Sohn S. Außer einer Nichte N hat V keine Verwandte. Nach dem Tod von V kommt es zur Auszahlung der Versicherungssumme i. H. v. 600.000 EUR. Weiteres Vermögen ist nicht vorhanden.
Lösung:
Da V als Versicherungsnehmer keine bezugsberechtigte Person vorgesehen hat, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass. Erbe ist hier Sohn S, dieser hat dementsprechend die Versicherungssumme i. H. v. 600.000 EUR nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern.
Für den Sohn ergibt sich die folgende Besteuerung:
Abwandlung des vorherigen Beispiels
Sohn S schlägt seine Erbschaft aus.
Lösung:
Nun erbt die Nichte N als Alleinerbin die Versicherungssumme. Für diese ergibt sich die folgende Besteuerung:
Beispiel 2
Vater V ist geschieden. V hat mit dem Versicherungsunternehmen U eine Lebensversicherung abgeschlossen. Diese soll mit seinem Tod zur Auszahlung kommen. Als bezugsberechtigte Person hat V seinen Neffen N benannt. Erbe laut Testament ist sein einziger Sohn S. Neffe N verstirbt im Oktober 2023. Am 15.1.2024 verstirbt auch V. Nach dem Tod von V kommt es zur Auszahlung der Versicherungssumme i. H. v. 1.400.000 EUR. Anderes Vermögen befindet sich nicht im Nachlass des V.
Lösung:
Da Neffe N als bezugsberechtigte Person vor dem Erbfall verstorben ist, fällt die Versicherungssumme wie im vorherigen Beispiel in den Nachlass, sodass Sohn S als Erbe diese nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsbesteuerung zu unterwerfen hat.
Für den Sohn ergibt sich die folgende Besteuerung:
Ist der Versicherungsnehmer nicht selbst die bezugsberechtigte Person, was in der Praxis der Regelfall ist, kommen die folgenden Grundsätze zur Anwendung.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird.
Hierzu zählt insbesondere der Lebensversicherungsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter. Erhält ein Dritter (Bezugsberechtigter) die Leistung aus dem Versicherungsvertrag, dann nicht als Rechtsnachfolger des Erblassers (Versprechensempfänger). Der Anspruch fällt nicht in den Nachlass, sondern entsteht beim Bezugsberechtigten als eigenes Recht. Somit kommt nicht die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zum Zuge (dies wäre nur der Fall, wenn der Anspruch in den Nachlass fallen würde), sondern § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.
Beispiel 3
Mutter M hat mit dem Versicherungsunternehmen U eine Lebensversicherung abgeschlossen. Diese soll mit ihrem Tod zur Auszahlung kommen. Als bezugsberechtigte Person hat M ihre Nichte N benannt. Als Erbin ist die Tochter T eingesetzt. Mutter M verstirbt. Nach deren Tod kommt es zur Auszahlung der Versicherungssumme i. H. v. 400.000 EUR.
Lösung:
Da hier die Nichte N als bezugsberechtigte Person eingesetzt ist, fällt die Lebensversicherungssumme nicht in den Nachlass. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommt somit nicht zur Anwendung. Dafür ist § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG anwendbar.
Für die Nichte N ergibt sich die folgende Besteuerung:
Vermögensanfall |
400.000 EUR |
Persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG |
./. 20.000 EUR |
Steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) |
380.000 EUR |
Erbschaftsteuer (Steuersatz 25 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) |
95.000 EUR |
Ausschlagung der Erbschaft
Ist die bezugsberechtigte Person auch gleichzeitig Erbe, kann sie die Erbschaft ausschlagen, ohne dass sie den Anspruch auf die Versicheru...