Leitsatz
1. Für die Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen des § 7g Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG genügt es in Fällen, in denen der Betrieb im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts aufgegeben wird, wenn das Wirtschaftsgut nicht für ein volles Kalenderjahr bzw. einen vollen Zwölf-Monats-Zeitraum nach dem Wirtschaftsjahr seiner Anschaffung oder Herstellung, sondern lediglich während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (gegen BMF-Schreiben vom 20.11.2013, BStBl I 2013, 1493, Rz. 36, 37, 58).
2. Wenn das FG die Berechnung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen will, muss es über die Klage in einem Umfang entscheiden, dass dem FA nur noch die Berechnung des Betrags überlassen bleibt. Dies bedeutet zum einen, dass im Rahmen der Berechnung keine offene Rechtsfrage mehr verbleiben darf. Zum anderen muss das Gericht dem FA eine eindeutige Berechnungsanweisung vorgeben; die für die Berechnung erforderlichen Angaben müssen entweder im Urteil enthalten sein oder es müssen Zahlenangaben in den Akten durch eine konkrete Bezugnahme in das Urteil einbezogen sein.
3. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO verlangt, dass die Berechnung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Einfache Berechnungen hat das FG daher selbst vorzunehmen.
Normenkette
§ 7g Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2014 ein Einzelunternehmen, dessen Gewinn sie durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. In ihrer im Februar 2014 eingereichten Gewinnermittlung für 2012 hatte sie einen Investitionsabzugsbetrag als Betriebsausgabe abgezogen. Dabei handelte es sich um 40 % der voraussichtlichen Anschaffungskosten eines Pkw. Im Mai 2014 erwarb die Klägerin den Pkw, im Juli 2015 gab sie ihren Betrieb auf. Das FA meinte, der Investitionsabzugsbetrag müsse gemäß § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG rückgängig gemacht werden, weil der Betrieb vor dem Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung folgenden Wirtschaftsjahres aufgegeben worden sei. Die Klage der Klägerin hatte Erfolg (Thüringer FG, Urteil vom 10.4.2019, 4 K 442/17, Haufe-Index 13881138, EFG 2020, 1119).
Entscheidung
Der BFH bestätigte zwar die Auffassung des FG, im Rahmen des § 7g EStG reiche bei einer Betriebsaufgabe die Nutzung des Wirtschaftsgutes während des Rumpfwirtschaftsjahres aus. Da aber insbesondere keine Feststellungen zur ausschließlichen oder fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung des von der Klägerin angeschafften Pkw getroffen worden waren, wurde die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Nach § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG können die in § 7g Abs. 5 EStG vorgesehenen Sonderabschreibungen – neben weiteren Voraussetzungen – nur in Anspruch genommen werden, wenn das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.
2. Anders als die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 20.11.2013 (BStBl I 2013, 1493, Rz. 36, 37, 58) meint, reicht es – das ist die entscheidende Aussage dieses Urteils – bei einer Betriebsaufgabe im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts für die Erfüllung dieser Nutzungsvoraussetzung aus, wenn das Wirtschaftsgut nicht für ein volles Kalenderjahr bzw. einen vollen Zwölfmonatszeitraum, sondern lediglich während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.
3. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Danach ist – neben dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts – das darauf folgende Wirtschaftsjahr für die Erfüllung der Nutzungsvoraussetzung maßgeblich. Zwar ist das Wirtschaftsjahr bei Gewerbetreibenden, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG das Kalenderjahr, auch umfasst nach § 8b Satz 1 EStDV das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von zwölf Monaten. Gemäß § 8b Satz 2 EStDV darf es aber in bestimmten Fällen – u.a. bei einer Betriebsaufgabe, vgl. § 8b Satz 2 Nr. 1 EStDV – einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen.
4. Der durch § 8b EStDV verwendete Begriff des Wirtschaftsjahres ist auch im Rahmen des § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG maßgebend. Denn die – durch § 8b EStDV ergänzten – Definitionen des § 4a EStG befinden sich in demselben Abschnitt des EStG wie § 7g EStG. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzlich definierte Begriff des "Wirtschaftsjahres" innerhalb der durch eine amtliche Überschrift gebildeten und zusammengefassten Normgruppe der §§ 4 bis 7i EStG unterschiedliche Inhalte ha...