Leitsatz
Wird für den Erwerber eines Anteils an einer Personengesellschaft eine positive Ergänzungsbilanz aufgestellt, sind die darin erfassten Anschaffungskosten so fortzuführen, dass der Gesellschafter soweit wie möglich einem Einzelunternehmer, dem Anschaffungskosten für entsprechende Wirtschaftsgüter entstanden sind, gleichgestellt wird. Deshalb sind AfA auf die im Zeitpunkt des Anteilserwerbs geltende Restnutzungsdauer eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Gesellschaftsvermögens vorzunehmen. Zugleich stehen dem Gesellschafter die Abschreibungswahlrechte zu, die auch ein Einzelunternehmer in Anspruch nehmen könnte, wenn er ein entsprechendes Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Anteilserwerbs angeschafft hätte.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1, § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Sätze 1 und 3 EStG, § 4 Abs. 6, § 24 Abs. 2 UmwStG 1995
Sachverhalt
Die klagende Schiffs-Fonds KG hatte das von ihr betriebene Containerschiff 1985 erworben und zunächst degressiv abgeschrieben, bevor sie im Jahr 1993 für die Restnutzungsdauer von 4,5 Jahren zur linearen AfA übergegangen war. In den Jahren 1992 bis 1995 wurden vier Kommanditanteile zu über dem Kapitalkonto liegenden Preisen veräußert. Die Erwerber aktivierten die Mehrwerte in einer Ergänzungsbilanz und schrieben sie linear auf die von der Gesellschaft zugrunde gelegte Restnutzungsdauer ab.
Das FA war der Auffassung, im Fall eines Anteilserwerbs sei jeweils auf dessen Zeitpunkt die Restnutzungsdauer eigenständig zu bestimmen, und erkannte deshalb nur geringere AfA in den Ergänzungsbilanzen an.
Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem FG zunächst Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.10.2009, 8 K 323/05, Haufe-Index 2300209, EFG 2010, 558).
Entscheidung
Der BFH gab jedoch der Revision des FA statt und verwies das Verfahren an das FG zurück. Ein Anteilserwerber sei demjenigen gleichzustellen, der die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft als Einzelgewerbetreibender gebraucht erwerbe. Daran anlehnend seien AfA-Methode und Nutzungsdauer für die zusätzlichen Anschaffungskosten des Erwerbers zu bestimmen. Das FG müsse noch Feststellungen zur Restnutzungsdauer im Zeitpunkt des Anteilserwerbs treffen und ggf. Gelegenheit zur Wahl einer anderen Abschreibungsmethode bieten.
Hinweis
1. Das Urteil enthält neben der Klärung der Streitfrage, wie Abschreibungen in Ergänzungsbilanzen vorzunehmen sind (3.), grundlegende Aussagen zur dogmatischen Einordnung von Ergänzungsbilanzen (2.).
2. Ergänzungsbilanzen werden gesetzlich ausdrücklich in § 24 Abs. 2 und 3 UmwStG und in § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erwähnt, ohne dort allerdings inhaltlich näher definiert zu werden. Deshalb ist die dogmatische Einordnung der Ergänzungsbilanz immer noch in der Diskussion.
a) Nach schon älterer Rechtsprechung des BFH stellen die in einer Ergänzungsbilanz ausgewiesenen Beträge Korrekturen zu den Wertansätzen von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens in der Steuerbilanz der Gesellschaft dar. Die Ergebnisse aus einer Ergänzungsbilanz sollen danach "im Interesse einer zutreffenden Besteuerung" zu einer Korrektur des Gewinnanteils des Gesellschafters i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führen (so BFH, Urteil vom 28.9.1995, IV R 57/94, BStBl II 1996, 68). Daran knüpft das hiesige Urteil an und erkennt als einen Aspekt der "zutreffenden Besteuerung" die von der Rechtsprechung geforderte Gleichstellung des Mitunternehmers mit dem Einzelunternehmer.
b) Im Zusammenhang mit einem Anteilserwerb dient eine Ergänzungsbilanz diesem Zweck. Weil der Anteilserwerb im Hinblick auf den einkommensteuerlichen Transparenzgrundsatz so verstanden wird, als hätte der Erwerber Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens erworben, müssen die Anschaffungskosten für diese Wirtschaftsgüter bilanziell ausgewiesen werden. Grundlage des bilanziellen Ausweises ist das Kapitalkonto des Gesellschafters. Liegt der Kaufpreisfür den Gesellschaftsanteil aber über dem Kapitalkonto, muss sich der Mehrbetrag der Anschaffungskosten ebenfalls bilanziell niederschlagen, weil das objektive Nettoprinzip die Erfassung der tatsächlichen Anschaffungskosten verlangt und ein Einzelunternehmer die tatsächlichen Anschaffungskosten für die Wirtschaftsgüter seines Betriebsvermögens in der Bilanz erfassen würde. Eine Ergänzungsbilanz ermöglicht diesen bilanziellen Ausweis für den Mitunternehmer.
3.Folge einer solchen Betrachtung ist es danach weiter, dass sich auch die Bewertung der Wirtschaftsgüter an folgenden Bilanzstichtagen an derjenigen orientieren muss, die in der Bilanz eines Einzelunternehmers vorzunehmen wäre. Es muss deshalb die Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden, die für die abnutzbaren Güter des Gesellschaftsvermögens gelten würde, wenn ein Einzelunternehmer sie zu demselben Zeitpunkt (gebraucht) angeschafft hätte. Zugleich muss der Mitunternehmer auch dieselben Wahlrechte haben, die ein Einzelunternehmer bei einem Erwerb am Stichtag gehabt hätte (z.B. in Bezug auf die Abschreibungsmethode). Nutzungsdauer und Ab...