Leitsatz
1. Der Ergänzungsbilanzgewinn, der mitunternehmerbezogen den laufenden Gesamthandsgewinn korrigiert, ist eine gesondert festzustellende und selbstständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage. Eine eigene Klagebefugnis des Mitunternehmers hiergegen besteht nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO aber nur dann, wenn dieser Gewinn allein aus den Mitunternehmer betreffenden Gründen streitig ist.
2. Die Möglichkeit der Rechtsverletzung als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ist schon dann gegeben, wenn der Kläger geltend macht, der unmittelbar erstrebte steuerrechtliche Nachteil sei mit einem mittelbaren steuerrechtlichen Vorteil in einem anderen Verwaltungsakt steuerrechtlich verknüpft.
3. Es ist zweifelhaft, ob aus § 6b EStG eine Befugnis zu gestuften Verwaltungsverfahren bei rechtsträgerübergreifender Übertragung stiller Reserven abgeleitet werden kann.
4. In dem Besteuerungsverfahren für den reinvestierenden Betrieb ist nicht mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs zu entscheiden, ob dort die Veräußerung eines Wirtschaftsguts erst nach dem 31.12.2001 erfolgt und deshalb die gesellschafterbezogene Betrachtung des § 6b EStG anzuwenden ist.
Normenkette
§ 6b EStG, § 171 Abs. 10 Satz 1, § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1, § 351 Abs. 2 AO, § 40 Abs. 2, § 42, § 48 Abs. 1 Nrn. 1 und 5, § 126 Abs. 4 FGO, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte aus der Veräußerung von bebauten Grundstücken in seinem land- und forstwirtschaftlichen Einzelunternehmen (veräußernder Betrieb) einen Veräußerungsgewinn und bildete in seiner Bilanz zum 30.6.2002 eine Rücklage nach § 6b EStG. Im Mai 2006 (Streitjahr) erwarb er einen Kommanditanteil an einer KG und begehrte, den in die Rücklage eingestellten Gewinn auf anteilige Anschaffungskosten als Mitunternehmer der KG (reinvestierender Betrieb) zu übertragen. Das für die KG zuständige FA veranlagte zunächst erklärungsgemäß, kam aber nach einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass die Übertragung nicht anzuerkennen sei, weil die Veräußerung im Einzelunternehmen des Klägers (entgegen der Auffassung des Klägers) noch im Jahr 2001 erfolgt sei und nach der damals geltenden Rechtslage keine rechtsträgerübergreifende Übertragung möglich gewesen sei. Dementsprechend verminderte es im Gewinnfeststellungsbescheid für die KG den Gewinnanteil des Klägers. Das FG (FG München, Urteil vom 25.7.2017, 5 K 3197/13, Haufe-Index 13932888, EFG 2020, 1311) wies die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig ab.
Entscheidung
Die Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Der BFH entschied, der Kläger sei zwar klagebefugt, seine Klage also zulässig. Eine Rechtsverletzung durch den – ihn begünstigenden – Gewinnfeststellungsbescheid liege jedoch nicht vor, weshalb sie als unbegründet abzuweisen sei. Dabei könne offenbleiben, ob und ggf. in welchem Verhältnis im Rahmen des § 6b EStG von einem gestuften Verwaltungsverfahren ausgegangen werden könne, denn eine Rechtsverletzung des Klägers durch den angegriffenen Gewinnfeststellungsbescheid scheide in jedem Fall aus: Sei kein gestuftes Verfahren anzuwenden, seien die Voraussetzungen des § 6b EStG zwar auch im Feststellungsverfahren der KG eigenständig zu prüfen, aber ohne Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des Einzelunternehmens des Klägers, sodass der Kläger im Feststellungsverfahren nur eine Verschlechterung seiner Rechtsposition erreichen könne, ohne dass dies zu einer Verbesserung seiner Rechtsstellung im Besteuerungsverfahren im Einzelunternehmen führen könne. Gleiches gälte, wenn allein im Besteuerungsverfahren des Einzelunternehmens über die Übertragbarkeit der stillen Reserven zu entscheiden wäre.
Selbst wenn aber (wie vom Kläger unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 12.7.1990, IV R 44/89, BFH/NV 1991, 599 und auf den BFH-Beschluss vom 9.9.2005, IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22 behauptet) der Gewinnfeststellungsbescheid für den reinvestierenden Betrieb insoweit Grundlagenbescheid für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs sei, also im Besteuerungsverfahren für den reinvestierenden Betrieb mit bindender Wirkung "über den Umfang der Übertragungsmöglichkeit" entschieden werde, werde davon nicht die Frage erfasst, ob die streitige Veräußerung erst im Jahr 2002 oder noch im Jahr 2001 erfolgt sei. Denn diese Frage entscheide sich allein auf Grundlage von Vorgängen im Bereich des veräußernden Betriebs, auch wenn von ihrer Beantwortung im Streitfall die Anwendung der gesellschafterbezogenen Betrachtung abhänge.
Hinweis
1.§ 6b EStG ermöglicht die Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter. Dabei erlaubt diese Regelung aufgrund der ab dem 1.1.2002 (wieder) geltenden gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise dieser Steuervergünstigung auch den Abzug eines Veräußerungsgewinns nicht nur betriebsbezogen (d.h. im veräußernden Betrieb), sondern u.a. auch von Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe des auf einen Gesellschafter entfallend...