Dr. Fabian Schmitz-Herscheidt
Leitsatz
1. Ein Duldungsbescheid erledigt sich, wenn die dem Bescheid zugrunde liegenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Zahlung eines Dritten erlöschen. Eine gegen den Duldungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage ist dann mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
2. Nach der Erledigung besteht ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Duldungsbescheids, wenn eine Rückgewähr der Zahlung des Dritten begehrt wird.
3. Die Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 i.V.m. § 323 der Abgabenordnung entfällt nicht dadurch, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 der Insolvenzordnung gewährt worden ist.
Normenkette
§ 47, § 48 Abs. 1, § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2, § 218 Abs. 1, § 322 Abs. 1, § 323 AO, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, § 49, § 300 Abs. 1, § 301 Abs. 1, 2 InsO, § 1147 BGB, § 864 Abs. 2 ZPO
Sachverhalt
Herr A hatte gegenüber dem FA Steuerrückstände. Auf Antrag des FA wurde auf einem ihm hälftig gehörenden Grundstück eine Zwangssicherungshypothek eingetragen. Der andere Teil des Grundstücks gehörte der Klägerin.
In der Folgezeit übertrug A seinen Eigentumsanteil auf die Klägerin. Mehrere Jahre später wurde über das Vermögen des A das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Forderungen des FA wurden zur Tabelle festgestellt. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gewährte das Amtsgericht dem A die Restschuldbefreiung.
Das FA ging nun gegen die Klägerin mit einem Duldungsbescheid gem. §§ 323, 191 AO vor, um aufgrund der Steuerrückstände des A und der Sicherungshypothek in das Grundstück der Klägerin vollstrecken zu können. Die Klägerin erhob Klage gegen den Duldungsbescheid.
Während des Klageverfahrens veräußerte die Klägerin das Grundstück. Die Käufer zahlten auf ihre Weisung einen Betrag an das FA zur Ablösung der Restforderungen. Die Klägerin hielt aber ihr Anfechtungsbegehren als Hauptantrag aufrecht und beantragte lediglich hilfsweise die Feststellung, dass der Duldungsbescheid rechtswidrig gewesen sei. Das FG wies die Klage ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.8.2022, 13 K 18/21, Haufe-Index 15367460).
Im Revisionsverfahren hielt die Klägerin an Haupt- und Hilfsantrag fest. In der Sache meinte sie, aufgrund der Restschuldbefreiung müsse der Duldungsbescheid entfallen, weil dieser akzessorisch zur Erstschuld sei. Die Erstschuld sei durch die Restschuldbefreiung erloschen.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Für eine Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alternative 1 FGO fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, wenn es während der Rechtshängigkeit der Klage zu einem erledigenden Ereignis kommt (BFH, Urteil vom 6.8.2024, VII R 32/22, Rz 17).
a) Der angefochtene Verwaltungsakt erledigt sich, wenn das Klagebegehren insgesamt objektiv gegenstandslos geworden ist, weil der Regelungsgehalt des angefochtenen Verwaltungsakts nicht fortwirkt (BFH, Urteil vom 28.10.2020, X R 36/19, BFH/NV 2021, 560, Rz 19). So erledigt sich etwa eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch Drittschuldnerzahlung (BFH, Beschluss vom 11.4.2001, VII B 304/00, BFH/NV 2001, 1192; BFH, Urteil vom 6.8.2024, VII R 32/22, Haufe-Index 16634932, Rz 18).
b) Ein Duldungsbescheid erledigt sich, wenn die Duldungspflicht entfällt, weil die dem Duldungsbescheid zugrunde liegenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch die Zahlung eines Dritten erlöschen,§ 47, § 48 Abs. 1 AO ( vgl. Rz 19 ff. im Besprechungsurteil).
c) Eine gegen den Duldungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage ist dann unzulässig.
2. Hat sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (sog. Fortsetzungsfeststellungsklage). Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergab sich im Streitfall aus der erfolgten Zahlung des Dritten, da sie eine Rückzahlung begehrte.
3. Wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden.
a) Ist nach § 322 AO eine Sicherungshypothek eingetragen worden, so bedarf es gemäß § 323 Satz 1 AO zur Zwangsversteigerung aus diesem Recht nur dann eines Duldungsbescheids, wenn nach der Eintragung dieses Rechts ein Eigentumswechsel eingetreten ist.
b) Die Duldungspflicht nach § 323 AO entfällt nicht dadurch, dass dem Steuerschuldner die Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 InsO gewährt wird ( vgl. Rz. 38 im Besprechungsurteil).
c) Das folgt aus dem Sinn und Zweck von § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO. Diese Vorschrift bewirkt, dass die Gläubiger nach der Restschuldbefreiung auf die in dieser Vorschrift genannten persönlichen oder dinglichen Sicherheiten weiter zugreifen können. Zu diesen Sicherheiten gehört auch die Hyp...