Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Die Tarifprogression wird bei der Besteuerung von außerordentlichen Einkünften im Wege der Fünftelregelung abgeschwächt. Danach ist in einem 1. Schritt zur Steuerberechnung für das Kalenderjahr, in dem die außerordentlichen Einkünfte zugeflossen sind, die Einkommensteuerschuld zu ermitteln, die sich ergibt, wenn in das zu versteuernde Einkommen die außerordentlichen Einkünfte nicht einbezogen werden. In einem 2. Schritt ist in einer Vergleichsrechnung diejenige Einkommensteuer zu errechnen, die sich unter Einbeziehung von 1/5 der als außerordentliche Einkünfte zu besteuernden Entschädigungen ergibt. Sodann ist in einem 3. Schritt der Unterschiedsbetrag zwischen beiden Steuerbeträgen zu verfünffachen. In einem 4. Schritt ist dieser Betrag der Einkommensteuer für das Einkommen ohne die außerordentlichen Einkünfte hinzuzurechnen. Die Summe ergibt die Einkommensteuerschuld unter Berücksichtigung der Tarifermäßigung für die außerordentlichen Einkünfte. Ist das zu versteuernde Einkommen ohne Einbezug der außerordentlichen Einkünfte (s. Beispiel 1) negativ und das zu versteuernde Einkommen inklusive außerordentlicher Einkünfte positiv, beträgt die Einkommensteuer das 5-Fache der auf 1/5 des positiven zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer.
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.230 EUR (ab 2023) ist vorrangig von den dem normalen Steuersatz unterliegenden Einnahmen abzuziehen. Bei der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigten außerordentlichen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit darf der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nur insoweit abgezogen werden, als tariflich voll zu versteuernde Einnahmen dieser Einkunftsart dafür nicht mehr zur Verfügung stehen.
Beispiel 1
Verbleibendes Einkommen ist negativ
Arbeitgeber und Arbeitnehmer (A) einigen sich wegen schlechter Arbeitslage, das vertraglich frühestens zum 31.12.2024 kündbare Arbeitsverhältnis bereits zum 31.1.2024 zu beenden und A ab 1.1.2024 von der Arbeit freizustellen. Der 56-Jährige, der 25 Jahre in diesem Arbeitsverhältnis stand, erhält am 31.1.2024 mit seinem letzten monatlichen Gehalt von 15.000 EUR eine Abfindung von 24.000 EUR und weitere Entlassungsentschädigungen von 80.000 EUR am 30.6.2024 und 85.000 EUR am 30.9.2024. Seine steuerlichen Abzugsbeträge (Werbungskosten, Sonderausgaben usw.) belaufen sich auf 20.000 EUR. A erzielt in 2024 keine weiteren Einkünfte. Die Einkommensteuerschuld 2024 errechnet sich wie folgt:
1. |
Das zu versteuernde Einkommen (zvE) ohne außerordentliche Einkünfte ist negativ (15.000 EUR Januar-Gehalt ./. 20.000 EUR Abzugsbeträge = ./. 5.000 EUR), sodass § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG eingreift. |
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2. |
Zu versteuerndes Einkommen unter Berücksichtigung der außerordentlichen Einkünfte |
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EUR |
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Januar-Gehalt |
15.000 |
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Steuerpflichtige Abfindung |
24.000 |
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Entlassungsentschädigung 30.6. |
80.000 |
|
Entlassungsentschädigung 30.9. |
85.000 |
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Summe |
204.000 |
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./. Abzugsbeträge |
./. 20.000 |
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Zu versteuerndes Einkommen (zvE) |
184.000 |
3. |
1/5 des zvE (184.000 EUR) |
36.800 |
4. |
Steuer hierauf (Splittingtarif 2024) |
2.726 |
5. |
ESt-Schuld 2024 |
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(das 5-Fache von Ziff. 4) |
13.630 |
Beispiel 2
Verbleibendes Einkommen ist positiv
Wäre das Arbeitsverhältnis in obigem Beispiel den ursprünglichen Vertragsvereinbarungen entsprechend unter Freistellung des Arbeitnehmers ab 1.1.2024 bei Fortzahlung der laufenden Bezüge von 180.000 EUR und einer am 31.12.2024 zu zahlenden Abfindung von 24.000 EUR erst zum 31.12.2024 beendet worden, würde sich die Einkommensteuerschuld 2024 bei sonst gleichem Sachverhalt wie folgt berechnen:
1. |
Einkommensteuer auf das zvE ohne Abfindung |
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|
EUR |
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Laufendes Gehalt |
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180.000 |
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Abfindung/Außerordentliche Einkünfte |
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24.000 |
|
Summe |
|
204.000 |
|
./. Abzugsbeträge |
|
./. 20.000 |
|
zvE ohne Anwendung des § 34 EStG |
|
184.000 |
|
./. außerordentliche Einkünfte (s. o.) |
|
./. 24.000 |
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Verbleibendes zvE |
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160.000 |
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Einkommensteuer auf das zvE (Splittingtarif 2024) |
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45.994 |
2. |
Ermittlung der Einkommensteuer unter Einbeziehung von 1/5 der außerordentlichen Einkünfte |
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|
EUR |
|
Verbleibendes zvE |
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160.000 |
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+ 1/5 der außerordentlichen Einkünfte (24.000 EUR) |
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4.800 |
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Erhöhtes zvE |
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164.800 |
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Einkommensteuer auf erhöhtes zvE (Splittingtarif 2024) |
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48.010 |
3. |
Das 5-Fache des Unterschiedsbetrags (Ziff. 1 und Ziff. 2) |
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|
EUR |
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Steuer auf erhöhtes zvE |
|
48.010 |
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Steuer auf verbleibendes zvE |
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./. 45.994 |
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Unterschiedsbetrag |
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2.016 |
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Das 5-Fache des Unterschiedsbetrags |
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10.080 |
4. |
Einkommensteuerschuld 2024 |
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|
|
EUR |
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Einkommensteuer auf verbleibendes zvE |
|
45.994 |
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Einkommensteuer auf außerordentliche Einkünfte |
|
10.080 |
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Einkommensteuer 2024 |
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56.074 |
Unter der nach dem Sachverhalt zu unterstellenden Voraussetzung, dass im VZ 2024 wegen des Zuflusses der Abfindung von 24.000 EUR eine Zusammenballung gegeben ist, beträgt die Steuerersparnis bei günstiger Gestaltung 56.074 EUR (Steuerschuld 2024 lt. Beispiel 2) ./. 13.630 EUR (Steuerschuld 2024 lt. Beispiel 1) = 42.444 EUR. Es empfiehlt...