EG-Kommission v. 5.7.2007, KOM(2007) 380 endgültig
Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über vom Normalsatz abweichende Mehrwertsteuersätze
1. Einführung
Die derzeitige Struktur der Mehrwertsteuersätze wurde 1992 vom Rat als Teil eines Maßnahmenpakets verabschiedet, das damals notwendig schien, um die Grenzkontrollen abzuschaffen und einen Binnenmarkt zu errichten. Nach diesem System müssen die Mitgliedstaaten einen einzigen Normalsatz von mindestens 15 % anwenden und können höchstens zwei ermäßigte Steuersätze von mindestens 5 % nach ihrem Ermessen auf die im Anhang III der Richtlinie 2006/112/EG des Rates (MwSt-Richtlinie) aufgeführten Gegenstände und Leistungen anwenden. In dieser Hinsicht steht es den Mitgliedstaaten nach wie vor frei, einen ermäßigten Steuersatz auf eine ganze Kategorie oder nur auf einen (sehr eingeschränkten) Teil davon anzuwenden. Diese auf alle Mitgliedstaaten anwendbare Grundstruktur wird durch eine Unzahl zeitlich befristeter Ausnahmeregelungen verkompliziert, die einzelnen Mitgliedstaaten abweichend von den allgemeinen Regelungen gewährt wurden.
Die Kommission hat 2003 einen Vorschlag zur Überarbeitung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze vorgelegt (KOM(2003) 397 endgültig), in Folge dessen die Richtlinie 2006/18/EG des Rates vom 14.2.2006 verabschiedet wurde. Diese Richtlinie sieht die dritte Verlängerung der versuchsweisen Anwendung ermäßigter Steuersätze auf arbeitsintensive Dienstleistungen bis Ende 2010 vor, sowie eine Möglichkeit, auf die Lieferung von Fernwärme und Elektrizität nach demselben Verfahren wie bei Erdgas ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Eine weiter reichende Einigung über den Anwendungsbereich und die Höhe ermäßigter Steuersätze konnte nicht erreicht werden. Insbesondere gab es keine Einigung über die Rationalisierung der Struktur der ermäßigten Steuersätze oder über die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf das gesamte Wohnungswesen oder das gesamte Gaststättengewerbe, wie damals von der Kommission vorgeschlagen.
Allerdings sieht die Richtlinie 2006/18/EG des Rates vor, dass die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens bis zum 30.6.2007 einen globalen Bewertungsbericht über die Auswirkung ermäßigter Sätze vorlegt. Dieser soll die Auswirkungen ermäßigter Sätze auf lokal erbrachte Dienstleistungen einschließlich des Gaststättengewerbes, insbesondere in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, auf das Wirtschaftswachstum und auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts untersuchen und soll sich auf eine von einer unabhängigen Expertengruppe für Wirtschaftsfragen durchgeführten Untersuchung stützen.
Die Studie wurde bei der Beratungsgesellschaft Copenhagen Economics (Copenhagen Economics ApS, Nyropsgade 13/1, DK-1602 Kopenhagen) in Auftrag gegeben. Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf den Auswirkungen von ermäßigten Steuersätzen und von Ausnahmeregelungen, nicht nur auf lokal erbrachte Dienstleistungen, sondern in einem weiteren Kontext. Des Weiteren wurden auch die Auswirkungen auf die Einkommensverteilung, die Schattenwirtschaft und auf die Befolgungskosten der Unternehmen berücksichtigt.
Diese Mitteilung fasst die wesentlichen Schlussfolgerungen der oben genannten Untersuchung zusammen, stellt Fragen zur Diskussion und sucht auf dem Gebiet der ermäßigten Steuersätze nach Wegen für die Zukunft. Die Kommission ist der Auffassung, dass die vorgelegte Studie hierfür eine gute Ausgangsbasis ist. Die nachfolgend vorgestellten Ideen zur zukünftigen Ausgestaltung der ermäßigten Sätze bauen auf den Ergebnissen der Studie auf, berücksichtigen jedoch auch die komplexe derzeitige Situation und die politischen Empfindlichkeiten. Natürlich orientieren sich diese Überlegungen auch an dem Erfordernis einer Vereinfachung und Rationalisierung der Anwendungsbereiche und der Höhe der ermäßigten Steuersätze. Ziel der Kommission ist es, Chancengleichheit zwischen den Mitgliedstaaten sowie mehr Transparenz, mehr Kohärenz und vor allem das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen, z.B. durch weniger Hemmnisse für grenzüberschreitende Aktivitäten und geringere durch die Mehrwertsteuer verursachte Befolgungskosten. Darüber hinaus spielen auch gemeinsam vereinbarte strategische Gemeinschaftspolitiken und Prioritäten wie diejenige im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie eine wichtige Rolle. Auch ist es zwingend geboten, in einer so sensiblen Frage, die die Finanzhoheit der Mitgliedstaaten berührt, das Subsidiaritätsprinzip vollumfänglich zu beachten.
2. Wichtigste Schlussfolgerungen der Untersuchung über die Auswirkungen ermäßigter Steuersätze
Das Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission mit dem Titel „Wichtigste Schlussfolgerungen der Untersuchung über die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf Gegenstände und Leistungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union„ (SEK(2007) 910) enthält eine ausführliche Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse. Im Anhang zu diesem Dokument ist ...