Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Werkstätten für behinderte Menschen können nach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nur auf den Verkauf von Waren, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen selbst hergestellt wurden, sowie auf den Verkauf von zugekauften Waren anwenden, wenn diese be- oder verarbeitet wurden und hierdurch eine Wertschöpfungsgrenze überschritten wurde.
Nach der bisherigen Rechtsauffassung können sonstige Leistungen, die keine Werkleistungen sind, in diesen Fällen nicht mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert werden.
Die Finanzverwaltung stellt dazu fest, dass dies auf einem überholten Bild einer Werkstatt für behinderte Menschen beruht. Deshalb können bei Werkstätten für behinderte Menschen sowohl der Verkauf der Waren, die in einer Werkstätte für behinderte Menschen selbst hergestellt worden sind, als auch die Umsätze von Handelsbetrieben, die nach § 142 SGB IX als zusätzlicher Arbeitsbereich, zusätzlicher Betriebsteil oder zusätzliche Betriebsstätte einer Werkstatt für behinderte Menschen anerkannt sind, sowie die sonstigen Leistungen, sofern sie in die Anerkennung nach § 142 SGB IX einbezogen sind, zum Zweckbetrieb gehören. In diesen Fällen kommt der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung.
Dies gilt allerdings nicht, wenn die Tätigkeit im Zweckbetrieb in erster Linie der Erzielung von zusätzlichen Einnahmen dient.
Konsequenzen für die Praxis
Die Finanzverwaltung passt die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Umsätze an die Fortentwicklung bei der Integration behinderter Menschen in Arbeitsprozesse an. Die "Werkstätten", die der Integration dienen sollen, sind auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der behinderten Menschen abgestimmt und sollen der individuellen Leistungsfähigkeit, Entwicklungsmöglichkeit und der Eignung und Neigung der Betroffenen Rechnung tragen. Werkstätten i. S. d. Regelung sollen deshalb auch Einrichtungen darstellen, in denen die behinderten Menschen Verpackungs- oder Montagearbeiten ausführen, Handelsumsätze tätigen oder Dienstleistungsangebote wie Garten- und Außenanlagenpflege durchführen sowie Märkte und Gastronomiebetriebe führen. Auch diese Leistungen unterliegen unter den weiteren Voraussetzungen dem ermäßigten Steuersatz, da dies dem Charakter als Werkstatt für behinderte Menschen entspricht.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 25.4.2016, III C 2 – S 7242-a/09/10005, BStBl 2016 I S. 484