Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Der ermäßigte Steuersatz kommt auch für Krankenfahrten im Auftrag einer Krankenkasse in Betracht, wenn der Unternehmer keine gültige Konzession nach dem Personenbeförderungsgesetz besitzt und deshalb Subunternehmer (mit Konzession) zur Durchführung der Fahrten beauftragt.
Sachverhalt
Die Klägerin führt im Auftrag von Krankenkassen durch Taxi- und Mietwagenunternehmen Krankenfahrten mit hierfür nicht besonders eingerichteten Fahrzeugen durch. Sie hat sich in Rahmenverträgen mit verschiedenen Krankenkassen verpflichtet, die Krankenfahrten zeit-, sach- und verkehrsgerecht zu disponieren und von den ihr angeschlossenen Taxi- bzw. Mietwagenunternehmen durchführen zu lassen. Die Taxiunternehmer wiesen in ihren Rechnungen gegenüber der Klägerin den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG aus. Die Klägerin berechnete ihrerseits ebenfalls (nur) den ermäßigten Steuersatz gegenüber den Krankenkassen. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die von Taxiunternehmen erbrachten und von der Klägerin an die Krankenkassen weiter berechneten Umsätze dem vollen Steuersatz unterliegen, weil es sich dabei nicht um Fahrten im Taxiverkehr handeln würde.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts unterliegen die von einem Unternehmen im Auftrag einer Krankenkasse durchgeführten Krankenfahrten auch dann als Beförderungsleistung dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Unternehmer keine gültige Konzession nach dem Personenbeförderungsgesetz besitzt und daher einen Subunternehmer mit Konzession zur Durchführung der Fahrten beauftragt hat. Der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG enthält keinen Hinweis auf die Notwendigkeit eines personenbezogenen Merkmals dahin, dass nur der Taxiunternehmer selbst in den Genuss der Steuervergünstigung kommen soll. Die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung für die Personenbeförderung knüpfen objektiv an die Leistung und nicht an den Leistungserbringer an. Auch aus dem Unionsrecht, was uneingeschränkt die Ermäßigung für (jede) "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks" erlaubt, ergibt sich kein Anhaltspunkt für einen Ausschluss von Beförderungen, die zwar mit Taxen, aber nicht von einem konzessionierten Taxiunternehmer selbst erbracht werden. Zwar ist bei der Auslegung zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG verwendeten Begriffen an deren verkehrsrechtlichen Bedeutung nach dem Personenbeförderungsgesetz angeknüpft hat. Aber auch daraus ergibt sich nicht, dass die an den Unternehmer im Sinne des Personenbeförderungsrechts zu stellenden Anforderungen auf die Steuervergünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG im Sinne eines persönlichen Merkmals des leistenden Unternehmers zu erstrecken wären.
Hinweis
Dem ermäßigten Steuersatz unterliegen Beförderungen von Personen im Verkehr mit Taxen
- innerhalb einer Gemeinde oder
- wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt.
Nach bisheriger Verwaltungsauffassung setzt eine begünstigte Personenbeförderungsleistung voraus, das sie durch den Genehmigungsinhaber mit eigenbetriebenen Taxen erbracht wird (vgl. Abschn. 12.13 Abs. 7 Satz 6 UStAE). Dies wird von mehreren Finanzgerichten und von Teilen der Literatur anders gesehen (vgl. Fundstellen im Urteil).
Man könnte vorliegend auch auf die Idee kommen, dass hier bloße Vermittlungsleistungen seitens des Klägers gegenüber der jeweiligen Krankenkasse vorlagen, die folglich dem Regelsteuersatz unterliegen müssten. Dies hat das Finanzgericht jedoch m. E. zurecht verneint, weil die gegenüber den Krankenkassen erbrachten Leistungen in Gestalt der Koordination, Organisation, Durchführung und Abrechnung der Krankenfahrten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht wurden. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht auch klar gestellt, dass das von der Klägerin ausgeführte Bündel von Leistungen (Koordination, Organisation, Durchführung und Abrechnung der Fahrten) einen einheitlichen Umsatz darstellt, der von der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG umfasst wird. Vorliegend wurde also die Beförderungsleistung der Klägerin umsatzsteuerlich als maßgebliche Hauptleistung angesehen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.07.2015, 1 K 772/15