Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Für die Berechnung des Gewinns aus der Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG ist der sich nach Abzug der AfA gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers auch dann maßgeblich, wenn die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer während der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG der Höhe nach beschränkt war. Eine Gewinnkorrektur im Hinblick auf den nicht abzugsfähigen Teil der AfA kommt nicht in Betracht.
2. Die Besteuerung des Aufgabegewinns unter Berücksichtigung des um die nicht abziehbare AfA geminderten Buchwerts des häuslichen Arbeitszimmers verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, denn die bei der Berechnung des laufenden Gewinns verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG wird im Rahmen der Besteuerung der Betriebsaufgabe nicht vertieft, sondern lediglich nicht wieder rückgängig gemacht.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1 und 3, § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger gab zum 31.12.2001 seine selbstständige Tätigkeit als beratender Ingenieur auf. Zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers gehörte bis zu diesem Zeitpunkt ein häusliches Arbeitszimmer. Das FA hatte die Aufwendungen für das Arbeitszimmer einschließlich der AfA nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG jährlich nur begrenzt i.H.v. 2.400 DM zugelassen, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers gebildet hatte. Der Kläger ermittelte bei der Aufgabe seines Betriebes einen Verlust, in dem auch ein Verlust aus der Entnahme des Arbeitszimmers enthalten war. Demgegenüber ermittelte das FA einen Aufgabegewinn. In dem hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren wandten sich die Kläger u.a. gegen die buchwertmindernde Berücksichtigung der AfA des Arbeitszimmers bei der Ermittlung des Aufgabegewinns. Der Einspruch und die hiergegen erhobene Klage hatten keinen Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 1.2.2017, 12 K 1282/15). Nach Auffassung des FG hatte das FA den Aufgabegewinn zutreffend ermittelt. Bei der Berechnung des Gewinns sei der Buchwert für das häusliche Arbeitszimmer nicht um die (nicht abziehbare) AfA zu erhöhen gewesen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der Aufgabegewinn bei der Beendigung eines Betriebes ist durch Gegenüberstellung des sich aus der Schlussbilanz ergebenden (Buch‐)Werts des Betriebsvermögens und dem Aufgabe-Endvermögen i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Werden Wirtschaftsgüter des Betriebs im Zuge der Betriebsaufgabe nicht veräußert, so ist für sie bei der Ermittlung des "Aufgabe-Endvermögens" der gemeine Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen (§ 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG).
2. Im vorliegenden Fall war die Höhe des gemeinen Wertes des aus dem Betriebsvermögen entnommenen Arbeitszimmers unstreitig. Streitig war jedoch, ob zur Ermittlung des Aufgabegewinns für den Gebäudeteil der Buchwert unter Berücksichtigung der AfA nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStGungeachtet der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG zu berücksichtigen ist.
3. Der BFH hat dies bejaht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Berechnung des Gewinns aus der Veräußerung oder Entnahme eines vom Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG betroffenen Wirtschaftsguts der Buchwert zugrunde zu legen, der sich unter Berücksichtigung der nicht abziehbaren AfA ergibt. Die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG begrenzt zwar die abziehbaren Betriebsausgaben, setzt aber nicht die Regeln der Bewertung und Abschreibung für die entnommenen Wirtschaftsgüter außer Kraft.
4. Der BFH hat mit der vorliegenden Entscheidung der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass die Abzugsbeschränkung der Betriebsausgaben in Bezug auf ein Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bei der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns wieder rückgängig gemacht werden müsse, eine Absage erteilt. Eine teleologische Reduktion kommt nicht in Betracht. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Steuerpflichtigen bei der Ermittlung des Aufgabegewinns gleichbehandelt werden, und zwar unabhängig davon, ob sie die Kosten für ein Arbeitszimmer bei der laufenden Gewinnermittlung als Betriebsausgaben absetzen können oder nicht.
5. Dieses Ergebnis ist nicht sinnwidrig, sondern entspricht auch der ausdrücklichen Anordnung des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG. Danach dürfen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen den Gewinn nicht mindern. Hieraus folgt, dass die Abzugsbeschränkung nicht nur für die Ermittlung des laufenden Gewinns gilt, sondern auch bei der Ermittlung eines Veräußerungs-, Aufgabe- bzw. Entnahmegewinns zu beachten ist und sich damit im Totalgewinn widerspiegeln mus...